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0198 - Das Höllen-Orchester

0198 - Das Höllen-Orchester

Titel: 0198 - Das Höllen-Orchester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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uraufzuführen. Komponiert und dirigiert von einem gewissen Marcello d’Oro, von dem Jones früher noch nie etwas gehört hatte. Und dieser d’Oro mit seinem stechenden Blick hatte die Bühnendekoration in der hier verwirklichten Form vorgeschrieben und Jones keine Möglichkeit gelassen, sich künstlerisch zu verwirklichen.
    Ein blutroter Behang mit schwarzem Drudenfuß, und in dessen Zentrum ein großes Auge.
    »Wer? Der Behang?« fragte Jones geistesabwesend.
    »Ich rede von d’Oro«, schrie Vorster von oben, hatte das Auge wieder gelöst und hielt es erneut gegen den blutroten Stoff. »Verflixt, kann denn keiner mal eben mit hochkommen und das verdammte Ding festhalten? Ich brech’ mir hier ja die Ohren ab…«
    »Jack, gehen Sie rauf«, ordnete Jones aus dem Zuschauerraum an. »Du mußt es rechts ein paar Zentimeter höher halten, dann schielt es nicht mehr, Al!«
    Al verschob die ovale Fläche. Das Auge durchmaß zwei Meter in Längsrichtung und war äußerst realistisch gemalt worden. Jones selbst hatte den Pinsel geschwungen. Der Chef-Dekorateur sah auf die Uhr.
    »Eineinhalb Stunden noch…«
    Jack kletterte auf einer zweiten Leiter nach oben. Sein Kollege blieb unten zwischen beiden Leitern stehen und sah hinauf.
    Jack hielt jetzt das Auge mit beiden Händen fest, und Al begann erneut zu nageln. Langsam kam Stewart Jones zur Bühne zurück. Die Hammerschläge hallten durch den ganzen Zuschauersaal. Die Deckenkonstruktion des Raumes war so angelegt, daß sie den von vorn kommenden Schall auf komplizierte Weise mehrfach brach und überall hin lenkte, so daß man auch auf den letzten Bankreihen noch hervorragend hörte.
    Bloß zum Sehen brauchte man da schon mittlere Fernrohre.
    »Das war’s«, knurrte Al Vorster von oben. »Jetzt kann die Hölle ausbrechen.«
    Er drehte sich halb auf der Leiter, verlor das Gleichgewicht und mußte mit beiden Händen zugreifen, um wieder Halt zu finden. Der Hammer entglitt seiner Hand und sauste senkrecht nach unten.
    »Nein!« schrie Stewart entsetzt auf.
    Aber er konnte schon nichts mehr verhindern.
    ***
    Die Teppiche schluckten jedes Geräusch. Lautlos bewegte Marcello d’Oro sich über den Korridor. Leise zischend hatten die Doppeltüren des Liftes sich hinter ihm geschlossen.
    Er brauchte die Türen nicht abzuzählen. Auch mit geschlossenen Augen fand er seine Suite, obwohl er dieses Hotel zum ersten Mal benutzte. Seit gestern war er einquartiert.
    Vor der Tür blieb er stehen und hob eine Hand. In einer kaum wahrnehmbaren Bewegung rieben zwei Finger gegeneinander und in seine kalten Augen trat ein ironisches Grinsen, als er murmelte: »Sesam öffne dich.«
    Sesam öffnete sich. Wie von Geisterhand bewegt schwang die Tür auf und schloß sich hinter d’Oro wieder. Der Komponist und Dirigent schritt durch den Vorraum in das eigentliche Zimmer, das geschmackvoll und wohnlich eingerichtet war. Das schlanke, schwarzhaarige Mädchen auf der Ledercouch gehörte zu d’Oros privater Dekoration. Er hatte Lis mitgebracht.
    D’Oro schleuderte seine leichte Jacke irgendwohin. Bei seinem Eintreten hatte sich das Mädchen aufgerichtet und kam jetzt, nur mit dem winzigen weißen Tangahöschen bekleidet, auf ihn zu. Zwischen ihren kleinen Brüsten schimmerte an einer dünnen Kette ein schwarzer, funkelnder Stein. Als d’Oro seinen Blick darauf richtete, erwärmte der Stein sich und schien auf geheimnisvolle Weise zu leuchten.
    Er küßte die sich ihm darbietenden Lippen.
    »Noch neunzig Minuten«, sagte er und streckte sich auf der Couch aus. Das Mädchen bewegte sich geschmeidig in Richtung der kleinen Zimmerbar und kehrte mit zwei fingerbreit gefüllten Cognacschwenkern zurück. D’Oro zog sie zu sich herunter.
    »Wie wird es sein?« fragte Lis und schmiegte sich an ihn. Seine Hand glitt leicht über ihre warme, weiche Haut. Der schwarze Stein leuchtete noch heller auf.
    »Fantastisch«, sagte er mit dem gleichen spöttischen Unterton, den er auch beim Öffnen der Suite angewandt hatte. »Selbst du wirst überrascht sein, Lis.«
    Er nippte am Cognac. Als er das Glas absetzte, schwebte es zwei Zentimeter vor seiner Hand her zum niedrigen Marmortisch. Lis schenkte dem Phänomen keinen Blick.
    »Eineinhalb Stunden«, sagte sie. »Und da bist du noch hier? Müßtest du nicht proben?«
    Er lachte auf eigenartige Weise. Sein Lachen schien tief unten aus der Kehle zu kommen.
    »Wozu? Ich nehme doch an, daß die Musiker ein wenig spielen können, und alles andere ist ohnehin meine

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