02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
vor, dass ich einen Kommentar aus der Sicht eines Akademikers schrieb, der gezwungen wird, fernzusehen. Ich haute also an jenem Freitagnachmittag in die Tasten und wartete am nächsten Tag mit einem Beitrag auf, der aus der Perspektive eines Professor Donald Trefusis geschrieben war, eines außerordentlichen Fellows am St. Matthew’s College, Cambridge, Philologe und Inhaber des Regius-Lehrstuhls für vergleichende Linguistik. Wie sich herausstellte, war Trefusis in der Tat erschüttert von der Gewalt im britischen Fernsehen. Die Gewalt, die von Noel Edmonds und Terry Wogan und anderen seinem eigenen Feingefühl sowie den sensiblen Empfindungen einer jungen und verletzlichen Generation angetan wurde, ließ ihn schaudern und erzittern. Man könne nur dankbar sein, schloss er, für die lustigen Verfolgungsjagden in Autos und die Kampfszenen, in denen die Schauspieler, die sich als Polizisten verkleidet hatten, so taten, als würden sie aufeinander schießen – ohne unschuldige Fröhlichkeit dieser Art würde das Fernsehen auf nicht zu rechtfertigende Weise verderblich auf die Jugend wirken.
Ironie wie mit der Dampfwalze, nehme ich an, aber aus dem Munde eines nörglerisch brabbelnden Dons, der zu alt ist, um sich darum zu scheren, wen er beleidigen könnte, erschien es durchaus glaubhaft und funktionierte so gut, dass ich mich ermutigt fühlte, bei der Figur zu bleiben und in der nächsten Woche etwas Ähnliches zu versuchen. Bald schon wurde Trefusis zu meinem einzigen wöchentlichen Beitrag. In einer kurzen Einleitung wurde der Eindruck erweckt, als habe ich, Stephen Fry, ihn in seiner Zimmerflucht in St. Matthew’sbesucht, um ein Interview mit ihm zu führen. Den Professor erreichte schon bald das erste Rinnsal Fanpost, und eine Sendung, in der er gnadenlos gegen das in Mode gekommene Konzept der »Parent Power« in der Erziehung wetterte, ließ das Rinnsal zu einer Flut aus hunderten Briefen werden, in denen zumeist um ein Transkript der Darlegung oder des »Rundfunk-Essays«, wie er es lieber nannte, gebeten wurde. Das Alter von Trefusis, seine vermeintliche Weisheit und Autorität erlaubten mir, viel rüder und hemmungslos satirischer zu sein, als ich es je mit meiner eigenen Stimme hätte sein dürfen. So sind die Briten eben, besonders die Mittelschicht-Hörerschaft von Radio 4: Eine junge bissige und zornige Person verärgert sie, und sie schimpfen gegen das Radio an, er solle mehr Respekt beweisen und sich so etwas wie einen gepflegteren spirituellen und intellektuellen Haarschnitt zulegen. Wenn jedoch Wort für Wort dieselben Ansichten in einem hochakademischen Tonfall ausgesprochen werden, formuliert wie von einem Konglomorat aus G. E. Moore, Bertrand Russell und Anthony Quinton, dann fangen sie behaglich zu schnurren an.
Während der nächsten vier oder fünf Jahre fütterte ich
Loose Ends
fast ausschließlich mit Trefusis-Tiraden. Nur ganz selten trat ich im Gewand einer anderen Figur auf. Neds bevorzugte Alternative zum Professor war Rosina, Lady Madding, eine Art überkandidelte Diana-Cooper-Figur. Ihre Stimme klang sowohl nach Edith Evans wie nach meiner Sprecherzieherin in der Prep School:
Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, hier drinnen zu sitzen, in meinem Alter gewinnt man eine Vorliebe für Zugluft. Ich weiß, dass junge Leute wie Sie schrecklichkälteempfindlich sind, aber ich muss eingestehen, mir behagt sie durchaus. Das stimmt. Ja, ist doch sehr hübsch, nicht wahr? Doch ein Kissen würde ich es eigentlich nicht nennen, Pekinese ist der gängigere Name dafür. Nein, keine Sorge, er war sehr alt – werfen Sie ihn doch bitte einfach ins Feuer, ja?
Colonel and Mrs Chichester
Im April 1984 fuhr ich nach Sussex hinunter, um meinen Sommer bei
Forty Years On
zu beginnen. Sehen wir uns die Besetzungsliste an:
Paul Eddington war in die Rolle befördert worden, die er fast sechzehn Jahre zuvor John Gielgud hatte spielen sehen, die des Schulrektors. Eddington war ein großer Star der Situation Comedy im Fernsehen, bekannt als Penelope Keiths drangsalierter Ehemann in
The Good Life
und in jüngerer Vergangenheit als Jim Hacker, der inkompetente und glücklose Minister for Administrative Affairs in der ungeheuer populären Serie
Yes, Minister.
Er war während der Proben in London sehr freundlich gewesen, aber ich konnte eine gewisse Ehrfurcht vor ihm nicht verhehlen. Ich hatte bis dahin noch nie mit jemandem, der so berühmt war, täglich auf Tuchfühlung gearbeitet.
John Fortune
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