02 - Winnetou II
ich denke. Er schnauzte mich ab, und sagte, er habe der Spur des ‚Weißen Bibers‘ zu folgen. Wenn wir das nicht tun wollten, so stehe es uns frei, zu reiten, wohin es uns beliebe.“
„Das war grob!“
„Ja, die Comanchen nehmen keinen Kursus in Anstandslehre und Konversation. Soll mich wundern, wenn sich da oben nicht irgend etwas über uns zusammenbraut. Über die Grenze sind wir hinüber; ob und wie wir wieder herüberkommen, das steht in einem Buch gedruckt, welches ich noch nicht gelesen habe.“
VIERTES KAPITEL
Durch die Mapimi
Ich war der Überzeugung gewesen, Gibsons noch im Bereich der Vereinigten Staaten habhaft zu werden. Nun mußte ich ihm nach Mexiko und sogar in die allergefährlichste Gegend dieses Landes folgen. Der Weg, welcher erst hatte eingeschlagen werden sollen, um Chihuahua zu erreichen, berührt den Norden des wüsten Gebietes der Mapimi und führt meist durch freies, offenes Land. Nun aber hatten wir uns südlich wenden müssen, wo Gefahren uns erwarteten, denen wir wohl kaum gewachsen waren. Zu diesen niederschlagenden Gedanken trat die körperliche Ermüdung, deren sich selbst die Comanchen nicht mehr erwehren konnten. Wir hatten von der Hazienda del Caballero aus einen wahren Parforceritt gemacht. Den Roten war das getrocknete Fleisch ausgegangen, welches ihren Proviant gebildet hatte, und auch wir besaßen nur noch wenig von dem Speisevorrat, welchen uns der Haziendero hatte einpacken lassen. Das Terrain stieg nach und nach höher an. Wir erreichten Berge, welche wir am Mittag gesehen hatten, steinige Massen ohne alles pflanzliche Leben. Wir wandten uns zwischen ihnen hindurch, immer nach Süden. Zwischen den steilen Abhängen war die Hitze noch größer als draußen auf der freien Ebene. Die Pferde verlangsamten ihre Schritte immer mehr. Auch der Haupttrupp der Comanchen war hier sehr langsam geritten, wie man aus den Spuren ersah. Über uns schwebten mehrere Geier, welche uns seit Stunden gefolgt waren, als ob sie erwarteten, daß unsere Erschöpfung ihnen eine Beute bringen werde. Da färbte sich plötzlich, als wir um eine Felsenecke schwenkten, der Süden dunkler. Dort schien es bewaldete Berge zu geben, und sofort fielen die Pferde, als ob auch sie diese Bemerkung gemacht hätten, in lebhafteren Schritt. Das Gesicht Old Deaths heiterte sich auf.
„Jetzt ahne ich, wohin wir kommen“, sagte er. „Ich rechne, daß wir uns in der Nähe des Flußgebietes des Rio Sabinas befinden, welcher aus der Mapimi herabkommt. Wenn die Comanchen sich entschlossen haben, seinem Lauf aufwärts zu folgen, so hat die Not ein Ende. Wo Wasser ist, gibt es Wald und Gras und wohl auch Wild, selbst in dieser traurigen Gegend. Wollen den Pferden die Sporen zeigen. Je mehr wir sie jetzt anstrengen, desto eher können sie sich ausruhen.“
Die Fährte hatte sich wieder ostwärts gewendet. Wir gelangten in eine lange, schmale Schlucht, und als dieselbe sich öffnete, sahen wir ein grünes Tal vor uns liegen, welches durch einen Bach bewässert wurde. Nach diesem Bach stürmen und dort aus dem Sattel springen, war eins. Selbst wenn die Comanchen sich hätten beherrschen wollen, so hätten sie doch ihren Pferden den Willen lassen müssen. Aber als die letzteren getrunken hatten, saßen wir gleich wieder auf, um weiter zu reiten. Der Bach ergoß sich nach kurzer Zeit in einen größeren, welchem wir aufwärts folgten. Derselbe führte uns in einen Canon, dessen steile Wände stellenweise mit Büschen bewachsen waren. Als wir diesen durchritten hatten, kamen wir an grünenden Berglehnen vorüber, deren Färbung unseren geblendeten Augen wohl tat. Mittlerweile hatte es zu dunkeln begonnen, und wir mußten uns nach einem Lagerplatz umsehen. Der Anführer der Comanchen bestand darauf, noch ein Stück weiter zu reiten, bis wir auch Bäume finden würden, und wir mußten uns seinem Willen fügen. Die Pferde stolperten über Steine, welche im Weg lagen. Fast war es Nacht; da wurden wir plötzlich angerufen. Der Anführer gab seine Antwort in freudigem Ton, denn der Ruf war in der Sprache der Comanchen erfolgt. Wir blieben halten. Old Death ritt mit dem Anführer vor, kehrte aber bald zurück und meldete:
„Die Comanchen lagern vor uns. Ihrer Fährte nach war das Zusammentreffen jetzt noch nicht zu erwarten. Aber sie haben sich nicht weiter gewagt, ohne die Gegend zu erkunden. Darum haben sie sich hier gelagert und am Mittag Kundschafter ausgeschickt, welche bis jetzt noch nicht zurückgekehrt sind. Kommt
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