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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich nichts mehr vor Old Death voraus und mußte mein Joch geduldig nach dem Gasthof schleppen, während er stolz nebenher schritt und es ihm jedenfalls heimlichen Spaß machte, mich als meinen eignen Packträger in Tätigkeit zu sehen.
    Als wir im ‚Hotel‘ ankamen, legte er sich nieder; ich aber ging, um nach Winnetou zu suchen. Es läßt sich denken, wie entzückt ich über dieses Wiedersehen war. Es hatte meiner ganzen Selbstbeherrschung bedurft, ihm nicht um den Hals zu fallen. Wie kam er nach Matagorda, und was wollte er hier? Warum hatte er so getan, als ob er mich gar nicht kenne? Das mußte einen Grund haben; aber welchen?
    Er hatte jedenfalls ebenso die Absicht, mit mir zu sprechen, wie ich mich sehnte, mit ihm reden zu können. Wahrscheinlich wartete er irgendwo auf mich. Da ich seine Art und Weise kannte, war es mir nicht schwer, ihn zu finden. Er hatte uns gewiß beobachtet und in das Hotel gehen sehen und war also in der Nähe desselben zu suchen. Ich ging nach der hintern Seite des Hauses, welche an das freie Feld stieß. Richtig! Ich sah ihn in der Entfernung von einigen hundert Schritten an einem Baum lehnen. Als er mich bemerkte, verließ er seinen Standort und ging langsam dem Wald zu; ich folgte ihm natürlich. Unter den Bäumen, wo er auf mich wartete, kam er mir mit freudestrahlendem Gesicht entgegen und rief:
    „Scharlieh, mein lieber, lieber Bruder! Welche Freude hat dein unverhoffter Anblick meinem Herzen bereitet! So freut sich der Morgen, wenn nach der Nacht die Sonne erscheint!“
    Er zog mich an sich und küßte mich. Ich antwortete:
    „Der Morgen weiß, daß die Sonne kommen muß; wir aber konnten nicht ahnen, daß wir einander hier sehen würden. Wie glücklich bin ich, deine Stimme wieder zu hören!“
    „Was führt deinen Fuß in diese Stadt? Hast du hier zu tun, oder bist du in Matagorda gelandet, um von da aus zu uns nach dem Rio Pecos zu gehen?“
    „Ich habe eine Aufgabe zu lösen, welche mich hierher führte.“
    „Darf mein weißer Bruder mir diese Aufgabe sagen? Wird er mir erzählen, wo er sich befunden hat, seit wir droben am Red River voneinander schieden?“
    Er zog mich ein Stückchen tiefer in den Wald hinein, wo wir uns niedersetzten. Hand in Hand an seiner Seite, erzählte ich ihm meine Erlebnisse. Als ich zu Ende war, nickte er ernst vor sich hin und sagte:
    „Wir haben den Pfad des Feuerrosses vermessen, damit du das Geld bekommen solltest; der Hurrikan hat es dir wieder genommen. Wolltest du bei den Kriegern der Apachen bleiben, die dich lieben, so würdest du des Geldes nie bedürfen. Du tatest klug, nicht nach St. Louis zu gehen und bei Henry auf mich zu warten, denn ich wäre nicht gekommen.“
    „Hat mein Bruder den Mörder Santer ergriffen?“
    „Nein. Der böse Geist hat ihn beschützt, und der große, gute Manitou ließ es geschehen, daß er mir entkam. Er ist zu den Soldaten der Südstaaten gegangen, wo er unter so vielen Tausenden mir entschwand. Aber mein Auge wird ihn wiedersehen, und dann entkommt er mir nicht! Ich kehrte nach dem Rio Pecos zurück, ohne ihn bestraft zu haben. Unsere Krieger haben während des ganzen Winters den Tod Intschu tschunas und meiner Schwester betrauert. Dann mußte ich viele und weite Ritte machen, um die Stämme der Apachen zu besuchen und sie von übereilten Schritten abzuhalten, denn sie wollten nach Mexiko, um sich an den dortigen Kämpfen zu beteiligen. Hat mein Bruder von Juarez, dem roten Präsidenten, gehört?“
    „Ja.“
    „Wer hat recht, er oder Napoleon?“
    „Juarez.“
    „Mein Bruder denkt grad so wie ich. Ich bitte dich, mich nicht zu fragen, was ich hier in Matagorda tue! Ich muß es selbst gegen dich verschweigen, denn ich habe das Juarez versprochen, den ich in El paso del Norte traf. Du wirst, obgleich du mich hier getroffen hast, den beiden Bleichgesichtern folgen, welche du suchst?“
    „Ich bin dazu gezwungen. Wie würde ich mich freuen, wenn du mich begleiten könntest! Ist dir das nicht möglich?“
    „Nein. Ich habe eine Pflicht zu erfüllen, welche ebenso groß ist wie die deinige. Heut muß ich noch bleiben; aber morgen fahre ich mit dem Schiff nach La Grange, von wo aus ich über Fort Inge nach dem Rio Grande del Norte muß.“
    „Wir fahren mit demselben Schiff, nur weiß ich nicht, wie weit. Wir werden also morgen noch beieinander sein.“
    „Nein.“
    „Nicht? Warum nicht?“
    „Weil ich meinen Bruder nicht in meine Sache verwickeln möchte; darum habe ich vorhin getan, als ob

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