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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nach Austin zu unterbrechen und irgendwo auszusteigen, sind wir natürlich gezwungen, dasselbe zu tun.“
    „Aber wie erfahren wir, ob er von Bord gegangen ist?“
    „Durch Nachfrage. Der Dampfer nimmt sich hier auf dem Colorado Zeit. Man hastet noch nicht so wie auf dem Mississippi und anderwärts. Es bleibt uns an jedem Ort ein kleines Viertelstündchen übrig, unsere Nachforschungen zu halten. Wir können uns sogar darauf gefaßt machen, irgendwo an das Land gehen zu müssen, wo es weder Stadt noch irgendein Hotel gibt, in welchem wir uns pflegen können.“
    „Aber was geschieht in diesem Fall mit meinem Koffer?“
    Er lachte laut auf bei meiner Frage.
    „Koffer, Koffer!“ rief er. „Einen Koffer mitzunehmen, das ist noch ein Rest längst vergangener vorsündflutlicher Verhältnisse. Welcher vernünftige Mensch schleppt ein solches Gepäckstück mit sich! Wenn ich alles, was ich jemals während meiner Reisen und Wanderungen gebrauche, hätte mitnehmen wollen, so wäre ich niemals weit gekommen. Nehmt mit, was für den Augenblick notwendig ist; alles übrige kauft Ihr Euch zu seiner Zeit. Was habt Ihr denn in Eurem alten Kasten für wichtige Dinge?“
    „Kleider, Wäsche, Toilettengegenstände, Verkleidungsstücke und so weiter.“
    „Das sind alles ganz schöne Sachen, die man aber überall haben kann. Und wo sie nicht zu haben sind, da ist eben kein Bedürfnis dafür vorhanden. Man trägt ein Hemd, bis man es nicht mehr braucht, und kauft sich dann ein neues. Toilettensachen? Nehmt es nicht übel, Sir, aber Haar- und Nagelbürsten, Pomaden, Bartwichse und dergleichen schänden bloß den Mann. Verkleidungsgegenstände? Die mögen da, wo Ihr jetzt gewesen seid, ihre Dienste leisten, hier aber nicht mehr. Hier braucht Ihr Euch nicht hinter einer falschen Haartour zu verstecken. Solch romantischer Unsinn führt Euch nicht zum Ziel. Hier heißt es, frisch zugreifen, sobald Ihr Euern Gibson findet. Und –  –  –“
    Er blieb stehen, betrachtete mich von oben bis unten, zog eine lustige Grimasse und fuhr dann fort:
    „So, wie Ihr hier vor mir steht, könnt Ihr im Zimmer der anspruchsvollsten Lady oder im Parkett irgendeines Theaters erscheinen. Texas aber hat mit einem Boudoir oder einer Theaterloge nicht die mindeste Ähnlichkeit. Leicht kann es geschehen, daß bereits nach zwei oder drei Tagen Euer feiner Anzug in Fetzen um Euch hängt und Euer schöner Zylinderhut die Gestalt einer Ziehharmonika erhalten hat. Wißt Ihr denn, wohin Gibson sich wenden wird? In Texas zu bleiben, kann unmöglich seine Absicht sein; er will verschwinden und muß also die Grenze der Vereinigten Staaten hinter sich haben. Daß er die Richtung hierher eingeschlagen hat, macht es über allen Zweifel erhaben, daß er nach Mexiko will. Er kann in den Wirren dieses Landes untertauchen, und kein Mensch, auch keine Polizei wird Euch helfen, ihn empor zu ziehen.“
    „Vielleicht habt Ihr recht. Ich denke aber, wenn er wirklich nach Mexiko wollte, so würde er direkt nach einem dortigen Hafen gegangen sein.“
    „Unsinn! Er hat New Orleans so schnell verlassen müssen, daß er sich des ersten abfahrenden Schiffes bedienen mußte. Ferner befinden sich die mexikanischen Häfen im Besitz der Franzosen. Wißt Ihr denn, ob er von diesen etwas wissen will? Er hat keine Wahl; er muß den Landweg einschlagen und ist jedenfalls klug genug, sich an den größeren Orten nicht allzuviel sehen zu lassen. So ist es möglich, daß er auch Austin vermeidet und bereits vorher ausgestiegen ist. Er geht nach dem Rio Grande, zu Pferde natürlich, durch wenig angebautes Land. Wollt Ihr ihm dorthin mit Eurem Koffer, Eurem Zylinderhut und in diesem eleganten Anzug folgen? Wenn das Eure Absicht wäre, so müßte ich Euch auslachen.“
    Ich wußte natürlich, daß er recht hatte, machte mir aber den Spaß, kläglich an meinem guten Anzug niederzusehen. Da klopfte er mir lachend auf die Schulter und sagte:
    „Laßt es Euch nicht leid tun; trennt Euch getrost von diesem unpraktischen Anzug. Geht hier zu einem Händler, um all Euern unnützen Krimskrams zu verkaufen, und schafft Euch dafür andere Kleider an. Ihr müßt unbedingt einen festen, dauerhaften Trapperanzug haben. Ich kalkuliere, daß man Euch mit genug Geld versehen hat?“ Ich nickte. „Nun, so ist ja alles recht. Weg also mit dem Schwindel! Ihr könnt doch reiten und schießen?“ Ich bejahte. „Ein Pferd müßt Ihr auch haben, aber hier an der Küste kauft man sich keins. Hier sind die

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