0208 - Die Spur führt in die gelbe Stadt
»Wenn ihr über alles im Bild gewesen wäret, hättet ihr mich einfach in meiner Praxis verhaftet und anschließend den Roten Mandarin besetzt.«
»Man soll die Polizei nie für dümmer halten, als sie ist! Im Roten Mandarin hätten wir bei einer normalen Durchsuchung nicht das geringste belastende Material gefunden. Deshalb hätten wir auch kein Recht gehabt, Ihren Laden zu demontieren, um an die Verstecke und an andere Geheimnisse zu gelangen. Mit anderen Worten: Es hätte an Beweisen gegen Sie gefehlt. Ein raffinierter Anwalt hätte Sie wahrscheinlich wieder herausgehauen. Wir kennen das ja zur Genüge! Mein Besuch sollte die Beweiskette schließen. Ich muß sagen, ich bin mit meinem Ergebnis vollauf zufrieden!« Brandly lachte und zog eine Pistole aus der Tasche.
»Was nützt dir das? Ich lasse dich spurlos auf die Seite schaffen. Dann hat das FBI einen guten Mann weniger und bleibt weiterhin machtlos gegen mich!«
Ich mußte den Kerl hinhalten. Es war mir ziemlich klar, daß er mich zusammenschießen würde, bevor er verschwand. Der elektrische Stuhl war ihm sowieso sicher, da kam es auf den Mord an einem G-man nicht mehr an. Wenn er sich beeilte, würde er sogar noch entkommen, da auf ihn tatsächlich noch kein Verdacht gefallen war. Verzweifelt versuchte ich, meine Fesseln zu sprengen.
Zum guten Glück war das Licht so schwach, daß Brandly meine Anstrengungen nicht wahrnahm. Währenddessen redete ich unverdrossen weiter: »Wieder ein Irrtum, Brandly. Mein Unternehmen hat so oder so Erfolg! Selbst wenn Sie mich verschwinden lassen, ändert sich nichts zu Ihren Gunsten. Meine Kollegen wissen sehr genau, zu welchem Zweck ich den Roten Mandarin aufgesucht habe. Kehre ich nicht zurück, dann haben sie Grund genug, Ihren Laden hier und den’ am Broadway in Stücke zu zerlegen. Sie wissen, daß, wenn ein G-man verschwindet, das FBI rabiat wird. Sie können sich darauf verlassen, daß dann unsere Leute etwas finden werden, Sie persönlich eingeschlossen! Es käme dabei nicht darauf an, das ganze Chinesenviertel in die Luft zu sprengen. Ihr Spiel ist also endgültig aus!«
Meine Handgelenke schmerzten und bluteten. Aber ich konnte die Hände aus den gedehnten Schlingen ziehen. Die Fußfesseln konnte ich allerdings nicht lösen, ohne daß Brandly es merkte. Wenn er wenigstens in die Reichweite meiner Hände oder Füße kommen würde! Nun redete er wieder: »Dein Spiel ist aber auch aus, und zwar viel gründlicher als das meine. Du hast mir eine Menge verdorben. Dafür wirst du büßen! Ich könnte dir eine Kugel verpassen. Aber das macht viel Lärm. Die Herren vor der Tür brauchen nicht zu merken, wann unsere Unterredung beendet ist. Sonst kommen sie noch auf die Idee, nach mir zu schauen. Allein habe ich aber bedeutend mehr Chancen, zu entkommen!«
Das war die typische Gangstermoral! Jetzt, wo es gefährlich wurde, ließ er seine Getreuen, die für ihn jeden Mordbefehl ausgeführt hatten, im Stich. Für mich konnte diese Gemeinheit nur von Vorteil sein. Wenn er mich auf eine andere Weise als durch Erschießen umbringen wollte, mußte er in meine Nähe kommen. Genau das wollte ich!
Brandly schob die Pistole in die Tasche und nahm einen langen Dolch in die Hand.
Ich spannte alle meine Muskeln an, um die notwendigen Abwehrbewegungen schnell und kräftig genug ausführen zu können.
Brandly beugte sich zu mir herab und stieß zu…
Ich hatte weniger die Absicht, den Stich abzuwehren. Dadurch würde ich mein Ende nur um einige Minuten hinauszögern können, da Brandly im Handumdrehen seine Leibwache herbeigerufen haben würde. Es kam mir vielmehr darauf an, ihn schlagartig außer Gefecht zu setzen.
Seine Hand mit dem blitzenden Stilett war schon unterwegs. Da ergriff ich mit beiden Händen seine Ohren und hielt sie wie in einem Schraubstock fest. Gleichzeitig zog ich die Knie mit aller Wucht an, so daß sie genau und hart gegen sein Kinn krachten. Sekundenbruchteile später fuhr mir die Klinge mit einem brennenden Schmerz in den linken Oberarm. Ich zerbiß mir fast die Zunge, um nicht laut hinauszubrüllen.
Brandly sackte, ohne einen Ton von sich zu geben, über mir zusammen. Ich warf ihn ab, langte aus seiner Tasche die Pistole, riß den Dolch aus der Wunde und zerschnitt die Fußfesseln. Dann trennte ich einen Streifen aus dem chinesischen Gewand, das ich noch immer über meinen Kleidern trug, und knotete einen notdürftigen Druckverband auf die Stichwunde.
Was nun? Obwohl ich bewaffnet war, hielt ich es
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