0208 - Die Spur führt in die gelbe Stadt
hinein.
Nach kurzem Suchen hatte ich den Dolch gefunden, mit dem ich einen Fetzen aus seinem Hemd schnitt. Daraus drehte ich einen Knebel, den ich ihm zwischen die Zähne preßte. Nachdem ich den Chinesen noch mit seinem eigenen Leibriemen kunstgerecht verschnürt hatte, schleifte ich ihn eine Strecke durch den Gang zurück und schob ihn in eine Art Nische.
Geräuschlos tappte ich weiter. Nun fühlte ich mich bedeutend wohler. Ich hatte eine Waffe in der Hand, wenn es auch nur ein Dolch war, mit dem ich sicherlich nicht so gut umgehen konnte wie die geschmeidigen gelben Kerle, die außerdem Jiu-Jitsu mindestens in derselben Vollendung beherrschten wie ich.
Als ich durch die Vorhangspalte, hinter der der erledigte Chinese aufgetaucht war, lugte, konnte ich keinen Menschen in dem Raum erblicken.
Ich sah Liegepolster, niedrige Tische, auf denen halbvolle Gläser standen und Zigarettenstummel in Aschenbechern schwelten. Daneben entdeckte ich aber auch normale Sessel, wie sie die Chinesen normalerweise nicht benützen.
Der Raum war mit Marmor getäfelt. In einer Ecke plätscherte ein kleiner Springbrunnen. Abgesehen von den exotischen Blattpflanzen, die in mächtigen Töpfen umherstanden oder sich an Bambusstanden emporrankten, machte das Ganze einen durchaus westlichen Eindruck.
Es schien, als sei ich durch Zufall in das Hauptquartier des geheimnisvollen Mr. X geraten.
Da bemerkte ich auf einem der niedrigen Tische einige Akten.
Ich schlich mich näher, hatte aber noch nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ich Schritte und Stimmen hörte. Es war unmöglich, noch rechtzeitig aus dem Raum zu entweichen. Das wollte ich aber .auch nicht. Die Gelegenheit war günstig, die feine Gesellschaft zu belauschen.
Mit zwei großen Schritten war ich hinter einer der Bambuswände, die dicht von Schlingpflanzen umrankt war. Hier war ich gut gedeckt, konnte jedoch zwischen den Blättern hindurch einen großen Teil des Raums im Auge behalten.
Zuerst erschienen zwei Chinesen, dann drei hünenhafte Weiße in saloppen Anzügen. Die Gesichter dieser Burschen paßten auf jeden Steckbrief.
Die Chinesen hockten sich mit gekreuzten Beinen auf die Kissen, während die Weißen in die Sessel sanken, wobei sie geradezu ehrfürchtig einen Sessel in ihrer Mitte freiließen.
Allem Anschein nach erwarteten sie jemand. Vielleicht würde ich in wenigen Augenblicken den geheimnisvollen Mr. X zu Gesicht bekommen.
Dann brauchte ich nur noch unangefochten aus dem Roten Mandarin zu entweichen, und mein Auftrag war erledigt, und zwar weit einfacher und schneller, als ich es mir vorgestellt hatte.
Und Mr. X kam!
Aber hol’s der Teufel, er führte einen kleinen Pekinesen an der Leine.
Bevor ich Mr. X genau betrachten konnte — er hatte eine breite, untersetzte Gestalt und trug eine riesige Sonnenbrille wie die Garbo —, riß das Biest wie verrückt an der Leine und fletschte seine Mausezähnchen gegen mein Versteck.
In den nächsten Augenblicken würde es hier rundgehen!
Ich umklammerte den Dolch und war entschlossen, meine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Meine Lage war alles andere als rosig, denn ich hatte sechs Männer, die mit Sicherheit bewaffnet waren, gegen mich.
Noch hielt Mr. X den wild an der Leine zerrenden Hund zurück. Aber es war vorauszusehen, daß das Tier sofort auf mich zuschießen würde, sobald Mr. X die Leine freigeben würde.
Anscheinend hatte er noch keine Ahnung, warum der Hund diesen Zirkus veranstaltete, denn er knurrte ihm zu, sich still zu verhalten.
Ich hatte nur eine Chance: Die Überraschung.
Ich sauste also mit einem wahren Panthersatz aus meinem Versteck hervor genau auf Mr. X zu. Ich beabsichtigte, ihm den Dolch auf die Brust zu setzen. Dann würde die Sache schon anders aussehen, und man würde sich einigermaßen friedlich unterhalten können.
Als ich so unvermutet auftauchte, waren die Männer tatsächlich zunächst starr vor Verblüffung. Aber ich hatte die Rechnung ohne den Hund gemacht! Er sprang mir kläffend zwischen die Beine.
Bevor ich Mr. X am Kragen hatte, stolperte ich über das bellende Pelzknäuel und segelte der Länge nach auf den Boden. Der Dolch entfiel mir und schlitterte über den glatten Marmor.
Nun war der Teufel los! Einer der Chinesen wollte sich auf mich werfen, aber ich konnte ihm das nächstbeste Sitzkissen ins Gesicht schleudern. Noch war ich nicht wieder auf den Beinen, da sprang mich schon der nächste mit gezücktem Dolch an. Ich erwischte ihn am
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