021 - Blutorgie in der Leichengrube
wuchtiger Machetenschlag von O'Neill warf ihn zu Boden und steigerte seine Angst vor einer Wende, die nur mit seinem Tod enden konnte. Noch einmal kam er hoch, wehrte die Angreifer ab und bespritzte sie mit seinem Blut, dann schwang er sich durch das offene Fenster, zeigte sich den Männern ein letztes Mal von vorn, bluttriefend, ein abstoßendes Scheusal, in dessen kleinen, rotumränderten Augen tödlicher, unversöhnlicher Haß brannte.
»Ich verfluche euch!« zischte er den Männern entgegen. »Ich verfluche den Ort, der euch beherbergt! Ich verfluche eure Väter, eure Mütter, eure Söhne und Töchter! Ich verfluche eure Frauen! Ich verfluche alles, was in Cruelymoe kreucht und fleucht! Ich kehre zurück. Heute in einem Jahr. Und in jedem darauf folgendem Jahr. Merkt euch das Datum und die Stunde! Ich werde euch töten, einen nach dem anderen. Ich werde euch ausrotten und nicht eher ruhen, bis Cruelymoe nur noch eine stinkende Geisterstadt ist, ein riesiger Friedhof, den ich meinem Fürsten weihe.«
Die Männer waren gelähmt. Die Worte der Bestie hatten sie zutiefst getroffen und erzielten mehr Wirkung als sein Blutrausch.
Der Dämon hob seine Fratze und schloß verklärt die Augen, einen Namen rufend, der wie ein Hilferuf klang. »Magus, Magus, Magus!«
Dem Ruf folgten ein paar Worte, die nicht zu verstehen waren, dann löste sich der Dämon vor den Blicken der entsetzten Männer in Nichts auf. Er verschwand, als sei er nur ein Trugbild gewesen.
Aber was er hinterließ, machte klar, daß er existiert hatte. Da waren die tote Clara und die anderen Opfer der Bestie, der schreckliche Fluch gellte noch allen Anwesenden in den Ohren.
Coco Zamis erwachte. Sie fühlte die Nähe und Wärme des Mannes an ihrer Seite und wandte sich ihm lächelnd zu. Es tat gut, das markante Gesicht von Sheldon Bloom zu studieren, ein Gesicht, in dem sich all das spiegelte, was sie zu schätzen wußte: Reife und Männlichkeit, Intelligenz, der sophistische Umwege widerstrebten, aber auch etwas Unwägbares, ein seltsamer Ernst, der möglicherweise in Sheldons irischen Wurzeln seinen Ursprung hatte, in jener Mystik, die die meisten Iren in den Augen anderer Menschen zu weltfremden Spinnern werden ließ.
Sheldon hob die Lider, ganz plötzlich. Er schaute Coco an, fand ihr Gesicht hinreißend und fragte sich, weshalb sie ausgerechnet mit ihm schlief. Obwohl jetzt im Herbst an der französischen Riviera die Turbulenz der Sommermonate einem eher beschaulichen Leben Platz gemacht hatte, waren noch genügend Playboys unterwegs, die sich um eine so faszinierende Schönheit wie Coco buchstäblich reißen würden.
Er hatte von ihr gehört, daß sie in London einem Mann namens Dorian Hunter besondere Neigungen entgegenbrachte, aber dieser Umstand hielt sie glücklicherweise nicht davon ab, sich ihm zu schenken. Zu schenken! Er fand keinen anderen Ausdruck dafür. Wie kam er, ein Junge aus einem verfluchten irischen Dorf dazu, den anderen die Show zu stehlen? Er wußte es nicht; er verstand es nicht; aber er nahm sich auch nicht die Mühe, lange darüber nachzudenken. Er wußte, an welch seidenem Faden sein Leben hing und wie rasch es von dem rasenden, rachsüchtigen Dämon beendet werden konnte.
Sheldon hatte einen Kampfauftrag, der seinen Tod nicht ausschloß. Schon deshalb genoß er die Freuden der Liebe mit Coco; sie konnten, wie er sehr wohl spürte, unter Umständen die letzten beschwingten Höhepunkte seines von einem gräßlichen Fluch belasteten Daseins sein.
»Woran denkst du?« fragte sie und strich mit ihren Fingerspitzen zärtlich über seine sonnengebräunte Haut.
»An dich«, sagte er und war traurig, daß er ihr nur die halbe Wahrheit sagen durfte. Natürlich dachte er auch an den Dämon, gerade jetzt, wo ihm klar wurde, was er verlieren würde, wenn die Bestie triumphierte.
»Dich bedrückt etwas«, meinte die junge Hexe, die ihrerseits darunter litt, vor Sheldon Geheimnisse haben zu müssen, aber wie hätte sie ihm erklären sollen, daß sie bis vor wenigen Monaten noch ein Mitglied der Schwarzen Familie gewesen war?
Es gab Dinge, die man besser unerwähnt ließ – zum Beispiel die Tatsache, daß man sie aus dem Bund der Dämonen ausgestoßen hatte, weil ihr die Liebe zu Dorian Hunter zum Verhängnis geworden war. Hexen – das war für die meisten nur Kinderkram. Auch für Sheldon? Er war ein Ire; er dachte möglicherweise anders darüber, aber Coco fand nicht den Mut, ihn aufzuklären. Sie wollte diese zarten, von
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