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022 - Die wandelnde Tote

022 - Die wandelnde Tote

Titel: 022 - Die wandelnde Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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sehen gab.
    Solan widerten die ewig gleichen, auf süßliche Harmonie getrimmten Bilder nur noch an. Er wollte neue, unbekannte Welten entdecken, selbst wenn sie als unheimlich und düster erwiesen. Alles war besser als das ständige Einerlei zu ertragen. Jahr für Jahr verging in dem unterirdischen Gefängnis, ohne dass sich sein Leben weiterentwickelte. Die Zeit schien praktisch stillzustehen. Er wollte endlich raus, an die Oberfläche, etwas Neues erleben - doch dem standen die Direktiven des Wissenschaftsrats entgegen, der Subplymouth I regierte.
    Angesichts der Nähe zu Plymouth wurden Außenmissionen auf ein Minimum beschränkt. Eine überraschende Begegnung mit den dort lebenden OBs, den Oberflächenbewohnern, barg unvorhersehbare Risiken. Eine simple Schwertattacke reichte schon aus, um sie mit Keimen zu kontaminieren. Der kleinste Riss im Gewebe der Schutzanzüge bedeutete den sicheren Tod für ihr geschwächtes Immunsystem.
    »Das haben wir von unserem perfekten und sterilen Leben«, haderte Solan leise mit seinem Schicksal.
    Ihnen fehlten einfach gepanzerte Fahrzeuge wie die EWATs, die von den großen Communities in Salisbury und London entwickelt worden waren. Von Projekten mit solchem Materialaufwand konnte Subplymouth I nur träumen. Mit seinen hundertfünfundzwanzig Bewohnern, denen knapp dreiundzwanzigtausend Quadratmeter septischer Lebensraum zur Verfügung standen, besaß diese Community nicht genügend menschliche und materielle Ressourcen, um so aufwändig zu produzieren.
    Für ihre Außenmissionen hatten sieh die Octaviate von Subplymouth I und II etwas Sparsameres einfallen lassen: die Trabanten. Der sicherste Weg, die Außenwelt zu erkunden, bestand nämlich darin, die Interne Zone so selten wie möglich zu verlassen.
    Der Gebäudezustand auf dem Bildschirm wurde langsam besser. Der bewohnte Teil von Plymouth rückte näher.
    Schneller, dachte Solan. Sein kybernetisches Implantat setzte den Wunsch in einen Befehl um, und der Trabant beschleunigte seinen Schritt.
    Der eingepflanzte Sender, der über die Schnittstelle unmittelbar mit seiner Hirnrinde verbunden war, ragte einige Millimeter hinter Solans rechtem Ohr hervor. So erhielt er drahtlosen Zugriff auf den Neurowellenempfänger des Helix- Rechners, mit dem er den Trabanten durch die Kraft seiner Gedanken steuern konnte.
    Solan strich sich seufzend über sein spitz zulaufendes, völlig bartloses Kinn. Wie alle Technos war er von schmaler, zerbrechlich wirkender Gestalt. Seine kalkweiße Haut und der farblose Mund standen in merkwürdigem Kontrast zu den giftgrünen Pupillen, die ihm ein kränkliches Aussehen gaben.
    Er trug einen Standardoverall aus dünnen Kunstfasern, dessen Taubenblau er mittels Bultanbestrahlung Orange gefärbt hatte. Die Bevölkerung von Subplymouth I hielt ihn deshalb für versponnen, entschuldigen das Verhalten aber mit seiner Jugend.
    Solan war das Gerede der Leute egal. Er wollte einfach nur aus dem Einerlei der Community ausbrechen, das höchst effizient, aber auch mächtig öde war. Der Zwanzigjährige war der Einzige seiner Generation in der Bunkergemeinschaft. Die Nächstälteren hatten die vierzig schon überschritten, die beiden jüngeren Bewohner waren fünf und zwölf. Das nächste Kind würde erst genehmigt werden, wenn jemand eines natürlichen Todes verstarb. Die Einwohnerstärke von einhundertfünfundzwanzig durfte langfristig nicht überschritten werden, da sonst Versorgungsengpässe auftreten würden. Summend verfolgte Solan den Weg des Trabanten, der jetzt eine etwas belebtere Straße durchquerte. Plötzlich stutzte er. Die Passanten kamen ihm bekannt vor. Da er nicht im Kreis gelaufen war, mussten sie ihm gefolgt sein. Vielleicht wurde es doch noch spannend!
    Solan griff nach seinem Cola-Becher, verzog aber nach dem ersten Schluck das Gesicht. Die synthetische Limonade war abgestanden. Trotzdem schloss er die Lippen um den Strohhalm. Diesmal pustete er. Ein lautes Blubbern produzierend, beobachtete er, was auf dem Monitor geschah.
    Drei grobe Typen in Fischertracht stellten sich dem Trabanten in den Weg. Wild gestikulierend redeten sie auf ihn ein. Der Wortführer war ein untersetzter Mann mit flammend rotem Haar, das er zu zwei langen Zöpfen geflochten hatte.
    Solan fuhr sich unwillkürlich über die eigene Glatze, während er die akustische Verbindung aktivierte.
    »Du kennst uns doch«, beschwor der Rotschopf den Trabanten. »Wir sind deine Familie und wollen dir helfen. Aber du musst selbst

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