0227 - Stellas Rattenkeller
einem Phänomen zu tun, aber mit keinem dämonischen Gegner. Die Ratten hatten nur ihr Verhalten verändert, jedoch aufgrund menschlicher Beeinflussung und nicht dämonischer.
Suko hielt sich immer einen halben Schritt hinter mir. Wie auch ich schaute er sich stetig um, denn wir wollten keinen überraschenden Angriff aus dem Hinterhalt zum Opfer fallen.
Wenn die Ratten kamen, wollten wir sie sehen.
Ich hatte die Verantwortlichen des Katastrophenschutzes eingeweiht. Es lag auf der Hand, daß wir beide uns nicht gegen eine Armee von Nagern verteidigen konnten. Sollten wir Hilfe benötigen, würden wir uns per Sprechfunkgerät mit den wartenden Helfern in Verbindung setzen. Mehr konnten wir nicht tun.
Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden. Auf dem Gelände herrschte ein seltsames Zwielicht, das die Konturen längst nicht mehr so klar hervorstechen ließ wie tagsüber.
Alles schien zusammenzuwachsen, dichter zu werden, und als etwas vor uns über den Weg huschte, da blieben wir stehen, doch es war keine Ratte, sondern nur ein junger Hase, der vor unseren Schritten flüchtete.
»Langsam sehe ich schon Gespenster«, murmelte ich und schüttelte den Kopf. »Aber ich höre keine, das ist echt.« Suko hatte die Worte kaum ausgesprochen, als ich begriff was er meinte. Das Flötenspiel!
Entfernt noch und dünn drang es an unsere Ohren, aber es war nicht zu überhören, und wir konnten sicher sein, daß sich unsere Gegnerin Stella Murdock auf dem Friedhof aufhielt.
»Wer sagt's denn?« flüsterte Suko, wobei er schief grinste. »Wir sind doch nicht allein.«
Ich hob die Hand zum Zeichen, daß Suko still sein sollte. Woher kam denn dieses Spiel?
Auch Suko lauschte, und beide erfaßten wir die Richtung.
»In Nähe der Leichenhalle«, sagten wir fast gleichzeitig.
Jetzt brauchten wir nur noch den Fleck zu finden. Wir hatten leider keine Zeit gehabt, uns einen Lageplan des Friedhofs anzuschauen, sondern richteten uns nach dem Gefühl und auch nach dem Gehör, wie jetzt.
Das disharmonische Flötenspiel war ein guter Wegweiser. Nach wenigen Minuten schon hörten wir es nicht mehr so leise und dünn, ein Zeichen, daß wir nahe daran waren.
Fast verdeckten schief wachsende Büsche die Wegkreuzung vor uns. Wir mußten die Zweige erst zur Seite schieben, danach sahen wir den schmalen Pfad, der nach links führte.
Wenn mich nicht alles täuschte, würde er uns zu unserem Ziel führen. Vielleicht hatten sie sich sogar vor der Leichenhalle versammelt, möglich war es.
Schritte.
Vor uns vernahmen wir sie. Dann ein wildes Keuchen, dazwischen angstvolle, leise Rufe. Sofort gingen wir rechts und links in Deckung. Kaum hatten wir uns hinter den Büschen versteckt, als wir den älteren Mann sahen, der uns entgegenrannte. Der Mund in seinem verzerrten Gesicht stand offen, in den Augen leuchtete die Angst.
Wir ahnten wohl beide, daß er etwas Schreckliches gesehen hatte, aber verfolgt wurde er nicht.
Ich verließ als erster meine Deckung. Der Mann erschrak fast zu Tode, als er mich sah. Bevor er anfangen konnte zu schreien — das merkte ich an seiner Reaktion —, legte ich ihm eine Hand auf den Mund und zischte das Wort »Polizei«.
Dann ließ ich ihn los.
Der Mann hatte begriffen. Er schrie nicht, sondern atmete nur keuchend, wobei er seine Hand auf den Brustkasten preßte. »Mein Gott«, flüsterte er nach einer Weile, »die…die Ratten…sie sind überall…Hunderte…ich…ich habe sie gesehen.«
»Wo genau?«
Er drehte sich halb und deutete den Weg zurück, den er gekommen war. »Dahinten.«
Also waren wir genau richtig.
»Laufen Sie weiter!« riet ich dem Mann. »Laufen Sie so rasch wie möglich…«
»Ja, ja…«
Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Und keine Angst, wir schaffen das schon.«
Er blickte mich an, als würde er kein Wort glauben. Auch mein Optimismus war nur gespielt. Dann ließen wir den abendlichen Friedhofsbesucher allein.
Es war wirklich nicht weit. Der alte Mann war höchstens 100 Yards gelaufen. Allerdings schlug der Weg einen Bogen, bevor er dort mündete, wo wir schon einmal gestanden hatten.
Wir gerieten auch in die Nähe eines Gräberfeldes. Es lag rechts von uns, und was wir dort zu sehen bekamen, das spottete jeder Beschreibung.
Es war einfach entsetzlich!
***
Rocky Koch hatte es mehr als eilig. Die schrillen Töne beflügelten ihn. Sein Ziel lag greifbar nahe, und er sorgte durch harte Stöße in den Rücken seiner Geisel dafür, daß der Professor sich ebenfalls
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