0227 - Stellas Rattenkeller
flotter bewegte.
»Hörst du nicht?« keuchte der Rattenkönig. »Sie rufen mich. Ich soll zu ihnen kommen. Los, schneller! Lauf endlich, verdammt!«
Gardener dachte an seine Aufgabe und an die zahlreichen Geiseln.
Wenn die Frau mit ihrer Forderung durchkam, trug er einen Teil der Schuld am Tod zahlreicher Menschen, und das wollte er auf keinen Fall.
Sie hielten sich auch nicht mehr auf den Wegen, liefen querbeet und mußten manchen alten Grabsteinen ausweichen, die versteckt hinter hohem Gras oder Büschen lagen.
Schließlich erreichten sie einen breiteren Weg, und Rocky Koch stieß einen Jubelschrei aus.
Sie waren da — endlich!
Und er sah nicht nur Stella Murdock, sondern auch seine vierbeinigen Freunde — die Ratten!
Sie waren gekommen, um ihren König zu begrüßen…
***
Es war die stille Minute der Gänsehaut!
Eine andere Definition fiel mir nicht ein, für das, was wir zusehen bekamen.
Sie waren überall. Die Ratten saßen nicht nur auf dem Weg, sondern hatten ihre Plätze auch auf den Grabsteinen gefunden, wo sie dicht an dicht hockten und ihre grauen, pelzigen Körper die Form der Grabdenkmäler genau nachzeichneten.
Unwahrscheinlich.
Zählen konnte man sie nicht. Die genaue Zahl wußte Stella Murdock sicherlich selbst nicht. Sie stand inmitten ihrer Lieblingstiere und kam sich vor wie eine Königin.
Die Hände hielten die Flöte fest, sie blies Luft in den kleinen Spalt, ihre Finger bewegten sich hektisch, und die schrille Musik geisterte über den ansonst stillen Friedhof.
Auch die mittlerweile einbrechende Dämmerung sorgte dafür, daß die Konturen noch stärker zerflossen. Allerdings nur die der Büsche und Bäume, Stella und ihr Rattenvolk blieben klar und deutlich zu sehen.
Suko und ich hatten uns hinter einen dicken Baumstamm gestellt.
Er stand sehr günstig, so daß unser Blickwinkel ausgezeichnet war und wir die Ratten klar und deutlich sahen.
»Schnappen wir sie uns?« wisperte Suko.
Ich wollte schon eine zustimmende Antwort geben, als wir Schritte vernahmen.
Ganz in der Nähe waren sie aufgeklungen, dann brachen Zweige, etwas knackte, und einen Lidschlag später erkannten wir die beiden Gestalten, die aus den Büschen brachen.
Das durfte nicht wahr sein!
Mir blieb fast das Herz stehen, als ich den Professor sah und auch seinen Begleiter.
Es war Rocky Koch!
Mir stockte tatsächlich der Atem, denn damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Oder doch? Hatten wir nicht von einem Plan gesprochen, den Stella Murdock unter Umständen in die Tat umsetzen konnte? Genau dieser Fall war nun eingetreten.
Tief atmete ich ein. Unseren Angriff hatten wir erst einmal verdrängt, da wir beide miterleben wollten, was nun geschah.
Rocky Koch war nicht mehr zu halten. Er stolperte auf die Tiere zu und schrie: »Ratten! Ratten. Meine Ratten. Ich bin der König!« Als er nahe genug herangekommen war, fiel er auf die Knie, faßte mit beiden Händen in die Rattenflut, schleuderte die Tiere hoch und sorgte dafür, daß sie wieder auf ihn zurückfielen.
So blieb er sitzen!
Und so kannten wir ihn auch. Als den Rattenkönig. Stella aber schien das nicht zu passen. Beide bemerkten wir, daß sich ihr Gesicht verzerrte. Sie nahm die Flöte von den Lippen, und es wurde fast ruhig, wenn nicht das aufreizende und an die Nerven gehende Fiepen der Nager gewesen wäre.
Professor Gardener stand daneben. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Mal schaute er auf Stella Murdock, dann blickte er die Ratten an oder Rocky Koch.
»Hallo, Doc«, wurde er von seiner Mitarbeiterin begrüßt. »So sieht man sich wieder.«
Gardener schüttelte den Kopf. »Daß Sie sich zu so etwas hingeben konnten, verstehe ich nicht.«
»Wieso nicht?«
»Kommen Sie, die Frage ist dumm.«
»Sie haben eben nicht begriffen, wie faszinierend Ratten sein können. Welch ein Wohlbehagen es bereiten kann, wenn sie über die nackte Haut Ihrer Arme klettern. Ich habe früher so gedacht wie Sie, Professor. Dann kam Rocky Koch, und ich habe mich von ihm überzeugen lassen, aber der wahre Führer der Ratten ist nicht er, das bin ich. Er ist kein König mehr, nur ein wahnsinniges Bündel Mensch.«
»Und was sind Sie?«
Die Frage hätte der Professor nicht stellen sollen, damit hatte er Stella tief getroffen. Sie schlug ihm ins Gesicht und kratzte gleichzeitig mit den Fingernägeln zu, so daß auf der Haut des Mannes lange, rote Streifen zurückblieben.
»Da haben Sie meine Antwort, Doc.«
Gardener hielt sich prächtig. Er hob
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