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025 - Die Spinne

025 - Die Spinne

Titel: 025 - Die Spinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
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glaubst du denn, dass du deine Launen an mir auslassen kannst, wenn es um die Wissenschaft, um meinen Beruf geht. Schließlich habe ich einen Forschungsauftrag.“
    Sie stand kerzengerade, die Lippen aufeinander gepresst, blass und zitternd, aber offensichtlich fest entschlossen, nicht nachzugeben. Wütend packte er sie beim Arm.
    „Silvia, setz’ dich ans Klavier.“
    „Nein, lass mich in Ruhe, außerdem tust du mir weh.“
    Zornig schüttelte er sie und drängte sie zum Klavier.
    Silvia wollte sich losreißen, aber er hielt sie fest im Griff und folgte ihrer Bewegung. So stieß er an das Tischchen, und das Viavarium begann zu schwanken.
    Die Vogelspinne, immer noch an die Wand geklammert, fiel auf den Boden des Glaskastens.
    „So, das Experiment ist aus! Warum musstest du dich auch so anstellen!“
    Mit Tränen in den Augen rieb Silvia ihren Arm.
    „Oh, Jose, wie war das nur möglich, das passt doch gar nicht zu dir?“
    Wie aus einem Traum erwachte er, warf sich Silvia zu Füssen. „Oh, mein Liebes, meine liebe Kleine, verzeih, ich war von Sinnen.“
    Zart strich sie ihm die Haare zurück, schon bereit, alles zu vergessen. Sie hob ihn auf, und sie klammerten sich mit der ganzen Inbrunst der Versöhnungsbereitschaft aneinander fest. Einen Augenblick gab sich Silvia ganz diesem Glücksgefühl hin. Dann aber entdeckte sie die Spinne, die wieder an der Glaswand hing.
    „Jose, sieh doch. Sie schaut uns an, sie beobachtet uns.“
    Schnell schloss sie die Augen und biss sich auf die Lippen. Denn ein Gedanke, eine Ideenverbindung schoss ihr durch den Kopf. Gerade noch zur rechten Zeit hatte sie sich beherrscht, um Jose ihren Verdacht nicht merken zu lassen. Um ein Haar wären ihr nämlich die Worte entschlüpft: „Sie beobachtet uns, wie es die andere getan hat.“
    Denn eines Abends in den Tropen war Elna dazugekommen, wie sie und ihr Mann sich zart umschlungen hielten. Nie würde sie den flammenden Blick der Mestizin vergessen, den glühenden Hass, den sie in ihren Augen lesen konnte. Wenig später erfuhr sie, dass Elna die Geliebte ihres Mannes war.
    Und nun hatten die winzigen blutunterlaufenen Augen der Spinne, die unverwandt auf das Paar gerichtet waren, jene entsetzliche Erinnerung heraufbeschworen.
    Jose versuchte, sie zu beruhigen … Mein Herz, hab doch keine Angst. Schau her, im Urwald warst du so tapfer diesem Getier gegenüber. Jetzt wird du nervös, weil eine einzige und nicht einmal besonders große Vogelspinne hier im Käfig ist.“
    „Er steht in unserem Wohnzimmer.“
    „Aber du weißt doch, dass der Käfig fest verschlossen ist. Wer nicht weiß, wie der Mechanismus der Deckplatte funktioniert, bekommt den Käfig nie auf. Und nur du und ich kennen das Geheimnis. Nie würde ich es einem Dritten zeigen, noch nicht einmal Martha.“
    „Oh, Martha stirbt ohnehin fast vor Angst. Sie bleibt da bestimmt weg.“
    Erneut kroch die Angst in Silvia hoch. Ja, sicher musste man mit dem Sicherheitsschloss umgehen können, wenn man den Käfig der grässlichen Spinne öffnen wollte. Wenn aber nun jemand die Scheibe zerbrach? Oder sie mit dem Glaserdiamanten aufschnitt, den sie kurz zuvor in Joses Schreibtisch entdeckt hatte?
    Sie schob den Gedanken an all diese Ungereimtheiten energisch von sich und bemühte sich, ruhig und gelassen zu erscheinen. Als sie sich jedoch ans Klavier setzen wollte, hielt sie Jose davon ab. Er meinte, sie sähe wirklich angegriffen aus und brauchte Ruhe.
    Ihr Mann war die Liebe und Fürsorglichkeit in Person. Aber hinter dieser Fassade sah Silvia mit erschreckender Klarheit die Doppelzüngigkeit und Falschheit. Denn dieser Schwächeanfall passte ihm ausgezeichnet ins Konzept. Denn ihn schien nur ein Gedanke zu beherrschen: Heute Abend auszugehen, und zwar allein.
    Silvia läutete nach Martha und bestellte das Abendessen. Nein, kein großes Menü, eine einfache und schnelle Mahlzeit. Während sie aßen, bemühte sie sich, heiter und natürlich zu erscheinen. Absichtlich vermied sie das Thema Insektenkunde, über das sie sich oft unterhielten. So plauderte sie über die neue Wintermode und bevorstehende Fernsehsendungen.
    Jose spielte mit, offensichtlich glücklich darüber, dass die Vogelspinne nicht mehr erwähnt wurde. Sehr bald verabschiedete er sich, empfahl seiner Frau, früh schlafen zu gehen. Nein, er würde nicht länger bleiben als unbedingt nötig.
    „Aber weißt du, es ist eben ein amerikanischer Professor. Kein bemoostes Haupt. Ein junger, dynamischer Bursche.

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