0250 - Der Höllensohn
vierzig war es nicht weit, zumal es nur eine sehr grobe Schätzung war. Auch, wenn fünftausend Jahre für ein einzelnes Menschenleben eine gigantische Zeitspanne war!
Geschichtlich gesehen war sie weniger als eine Sekunde der Ewigkeit.
Und Bill pflegte meist in geschichtlichen Zahlen zu denken.
Sollte das hier also eine jener legendären Blauen Städte sein?
Er beglückwünschte sich zu dem Gedanken, die Kampfhubschrauber angefordert zu haben. Jetzt konnten sie ihre Schlagkraft beweisen.
Bill ließ sie über Funk heranrufen.
Knapp zehn Minuten später waren die sieben grauen Hornissen da. Die Verständigung war hervorragend. Der Forschungs-Hubschrauber zog sich zurück und fungierte aus größerer Höhe als Leitstelle.
Dann brach über der Antarktis eine kleine Hölle los… .
***
»Ist der Mann denn verrückt geworden?« fragte sich Petra Gonzales im Camp laut. Hier drinnen, in den sternförmig angelegten und miteinander verbundenen Fertigbetonblocks, war von der grimmigen Kälte nichts zu spüren. Eine konstante Temperatur von zwanig Grad Celsius täuschte über die mehr als vierzig Grad Polarsommerkälte draußen hinweg.
Die Chefwissenschaftlerin schüttelte den Kopf. Aus dem Lautsprecher der Funkanlage dröhnte das Krachen der Abschüsse und Einschläge. Dazwischen erklangen abwechselnd Bill Flemings und Parkers’ Stimmen. Ein großer Videoschirm übertrug die Bilder, die der Forschungs-Hubschrauber sendete.
Eine gewaltige, weiße Wolke ballte sich über dem Gelände, dehnte sich immer weiter aus. In weitem Umkreis hingen die Hubschrauber in der Luft. Aus ihren Werferrohren zuckte es immer wieder hervor. Dann blitzte es unten auf, Feuerstrahlen und schwarzer Explosionsqualm jagten empor.
»Wir sind schon sechzig Meter tief«, berichtete Parker gerade. »Die Hitzewirkung der Explosionen schmilzt das verdammte Eis weg…«
»Himmel«, sagte Petra Gonzales und strich sich durch das blonde, kurzgeschnittene Haar. Ihre grauen Augen blitzten leicht. »Ihr schießt die Stadt doch in Trümmer! Die Druckwirkungen…«
»Meßt ihr etwa Erschütterungen an? Hier passiert nichts, was wir nicht wollen«, rief Bill Fleming. »Noch zwei Meter, dann hören wir ohnehin auf… die anderen acht oder zehn Meter schmelzen wir uns morgen etwas dezenter hinunter!«
Petra Gonzales dachte an die mühevollen Ausgrabungen, so wie sie sie kannte. Sie selbst war Physikerin, aber es gab genug Kollegen in der Station, die Fleming mit Vergnügen den Hals umdrehen würden, weil durch Explosionserschütterungen unersetzliche Gegenstände zerstört worden sein würden. Warum, zum Teufel, hatte es dieser Amerikaner so eilig?
»Feuer einstellen«, kam endlich nach weiteren fünf Minuten der Befehl.
»Endlich, ihr Narren«, schimpfte die Physikerin, die gemeinsam mit dem Historiker die Station leitete.
»Wir hätten ohnehin neu aufmunitionieren müssen«, sagte Bill. »Wir warten noch etwas, bis sich die Wasserdampfwolke abgeschneit hat, dann sehen wir uns die Sache mal an…«
»Hoffentlich ist noch etwas davon übriggeblieben«, unkte Petra Gonzales.
Aber ihre Befürchtungen bestanden zu Unrecht.
Drei Tage später erreichten zwei »Bohrtrupps« die Stadt im Eis in gut siebzig Metern Tiefe. Drei Tage hatte es bedurft, um zwei einigermaßen große und begehbare Schächte in das Eis zu treiben.
Aber dann stand Bill Fleming vor einer undurchdringlichen Barriere. Sie war klar wie Glas und ließ dahinter unter einer Art Kuppel kobaltblaue Gebäude erkennen.
Doch die transparente Barriere ließ keinen Menschen hindurch… weder sanft noch mit Gewalt.
Die Blaue Stadt war angriffssicher abgeschirmt…
***
Das Schrillen des Telefons nahm kein Ende.
Nach dem zwölften Klingeln griff Zamorra mit einer langsamen Bewegung nach rechts und drückte die breite Taste nieder. Dadurch war er in der Lage, auch bei ruhendem Hörer das Gespräch entgegenzunehmen und schaltete zusätzlich den Lautsprecher und das Außenmikrofon ein.
»Zamorra«, meldete er sich.
Durch die große Verglasung, den einzigen Stilbruch in der Fassade des uralten Châteaus im schönen Loire-Tal, sanft am Hang gelegen, konnte er inden parkähnlichen Garten blicken, der das Bauwerk umgab. Ringsum zog sich eine starke Wehrmauer, die dem Château den Charakter einer Trutzburg gab - und kaum etwas anderes war das Schloß einst gewesen. Jetzt aber schützte weniger die Mauer, sondern mehr der magische Abwehrschirm die Bewohner, die sich ständiger Angriffe dämonischer
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