0255 - Dynamit für Bohrturm 3
Das Letzte, das Sammy MacNow in seinem Leben sah, war eine jäh zum Nachthimmel emporschießende Flammenwand.
Sammy riss den Mund auf, aber der Schrei blieb in seiner Kehle stecken. Ein glühendes Stahlstück des berstenden Bohrturmes traf Sammy.
Mit ihm starben in einer Zeitspanne von weniger als 60 Sekunden ein Ingenieur, drei mexikanische und zwei amerikanische Arbeiter.
Mit triumphierendem Brausen wuchs die Flamme über dem Bohrloch höher und höher.
***
Über der mexikanischen Wüste bei Sonoita ging die Sonne auf, grell und erbarmungslos wie jeden Morgen. Heute aber filterten dunkle Rauchschwaden die Kraft der Sonnenstrahlen. Das Bohrloch 3, die einzige bisher fündig gewordene Bohrung, schleuderte Öl und Erdgas in einer feurigen Fontäne zum Himmel. Auf allen änderen Bohrtürmen waren die Bohrungen eingestellt worden. Die Arbeiter standen in Gruppen und starrten auf die Flammen.
Knapp zehn Meilen vom brennenden Bohrloch entfernt, standen zwischen dürftigen Kakteen weiße Bungalows, die man in aller Eile errichtet hatte. Sie beherbergten einen Stab von Ingenieuren, Verwaltungsbeamten und Buchhaltern; sie standen unter dem Kommando des Generalmanagers Chester Boulwer, den die Direktion der South Oil Company aus dem fernen Los Angeles hergeschickt hatte.
Boulwer hatte den Chefingenieur gefeuert, für jede Bohrung einen eigenen Ingenieur ernannt und ein Prämiensystem ausgeknobelt, das die Ingenieure und ihre Mannschaften untereinander zu einem rücksichtslosen Wettbewerb trieb. Der Erfolg gab seinen raubeinigen Methoden recht. Vor einer Woche hatte er stolz nach Los Angeles melden können, dass das Bohrloch 3 fündig geworden war. An diesem Morgen beendete er gerade ein Telefongespräch, in dem er hatte mitteilen müssen, dass an dem Bohrloch pro Minute hunderttausend Gallonen Öl in Flammen aufgingen. Boulwer hatte versucht, John Barring, den obersten Chef der South Oil Company persönlich zu sprechen, aber er hatte nur Barrings Sekretär an die Strippe bekommen.
»Ergreifen Sie die üblichen Maßnahmen«, sagte der Sekretär des allmächtigen Bosses, »im Übrigen erhalten Sie unsere Direktiven.«
Boulwer wusste, dass der erste Satz dieser Direktiven lauten konnte: »Räumen Sie Ihren Schreibtisch!« Die Hände des Generalmanagers zitterten.
Wütend hieb er den Hörer auf die Gabel. Mit der anderen Hand drückte er gleichzeitig den Knopf der Rufanlage.
»Bitte, Mr. Boulwer«, meldete sich James Colloway, der ihm als Sekretär diente.
»Ist Lorrow da?«
»Nein, Sir. Er ist auf dem Bohrfeld.«
»Ich will ihn sprechen. Jagen Sie einen Wagen hinter ihm her!«
»Jawohl, Sir! Wollen Sie Señor Pararaz und Oberst Soreira jetzt empfangen?«
Boulwer zerkaute einen Fluch, bevor er knurrte.
»Meinetwegen! Schicken Sie sie herein!«
Er hasste Pararaz, der sich als Regierungsvertreter des mexikanischen Gouverneurs auf dem Bohrfeld wichtig machte; und zwischen Oberst Soreira, dem Polizeichef von Sonoita, und Boulwer bestand eine solide Feindschaft, die von ständigen Reibereien der amerikanischen Arbeiter mit der mexikanischen Polizei herrührte. Denn an den Zahltagen ging es hoch her in Sonoita.
Pararaz, ein schmaler, öliger Mann, stürzte ins Zimmer, breitete die Arme aus, verdrehte die Augen und rief in akzentreichem Englisch: »Welches Unglück, Señor Boulwer! Ich spreche Ihnen im Namen des Gouverneurs mein Bedauern aus und ich darf Ihnen versichern, dass ich persönlich an Ihrem Missgeschick größten Anteil nehme.«
Pararaz legte eine Hand aufs Herz, als beteuere er einem Mädchen seine Liebe.
Oberst Soreira, ein breitschultriger, braunhäutiger Mann mit stechenden dunklen Augen hatte sich im Hintergrund gehalten. Jetzt trat er einen Schritt vor.
»Ich bedauere ebenfalls die Katastrophe, dennoch werde ich eine Untersuchung darüber anstellen müssen, ob das Unglück durch Fahrlässigkeit verschuldet wurde.«
»Fahrlässigkeit? Blödsinn!«, bellte Boulwer. »Glauben Sie, dass die South Oil in dieser Wüste zum ersten Mal nach Öl bohrt? Keine Sicherungsmaßnahme wurde vernachlässigt.«
»Es sind mexikanische Staatsangehörige verunglückt. Ich bestehe auf einer Untersuchung durch die mexikanische Polizei!«
Boulwers Gesicht.lief rot an.
»Am besten machen Sie sich selbst für das Unglück verantwortlich, Oberst«, brüllte er. »Vor sechs Monaten haben wir Ihnen mitgeteilt, dass die South Oil durch Drohbriefe erpresst werden sollte. Wir haben Ihnen die Briefe übergeben. Sie haben mit
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