026 - Der Doppelgänger
hereingefallen! Ich brauche doch überhaupt kein Geld, ich bin sehr reich.«
»Aber warum hast du denn Bobby gesagt -«
»Mitgefühl tut mir so wohl«, erwiderte sie ruhig. »Und in diesem Hause bringt mir mit Ausnahme Eleanors niemand Sympathie entgegen. Sie ist wirklich ein hübsches, gutes Mädchen. Meinst du nicht auch?«
»Es ist mir noch niemals aufgefallen.«
»Das wußte ich, als ich entdeckte, daß du sie noch nie geküßt hast.«
Gordon hatte gerade einen großen Bissen Schinken im Mund und konnte nicht gleich protestieren.
»Nein, du mußt nicht annehmen, daß ich solche Fragen an die Dienstboten stelle. Aber eine Frau hat feine Instinkte und findet immer einen Weg, um solche Dinge herauszubekommen. Gordon, du bist nicht belastet«, fügte sie mit einer großzügigen Geste hinzu.
»Deine Philosophie ist verwirrend«, sagte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Wie bist du nur auf den Gedanken gekommen, daß ich sie hätte küssen sollen?«
»Das ist doch sehr einfach. Sie ist hübsch, und alle Männer küssen gern hübsche Mädchen, wenigstens wenn sie normal sind. Viele Leute haben mich schon küssen wollen.«
Gordon zog die Augenbrauen hoch, ohne aufzuschauen.
»Du fragst mich ja gar nicht, ob ich ihnen auch erlaubte, mich zu küssen«, fragte sie nach einer Weile.
»Das interessiert mich nicht«, sagte Gordon kühl.
»Nicht ein ganz klein wenig?«
Ihre Stimme klang fast ängstlich, aber er ließ sich nicht täuschen. Er hatte durch harte Erfahrung lernen müssen, daß Diana sich vor Lachen gewöhnlich innerlich ausschütten wollte, wenn sie so war. - Ein schreckliches Mädchen! »Ich habe nur zwei Liebesaffären gehabt«, fuhr sie fort und kümmerte sich gar nicht darum, daß er anscheinend nichts davon hören wollte. »Zuerst mit Dempsi - und dann mit Dingo.«
»Wer war denn Dingo?« Er hatte sich also doch wieder fangen lassen.
»Er hieß in Wirklichkeit nicht Dingo, sondern Mr. Theophilus Shawn. Später stellte sich heraus, daß er ein verheirateter Mann mit fünf Kindern war.«
»Großer Gott!«
»Er hat mich aber niemals küssen dürfen. Seine Frau kam und holte ihn weg, als ich mich gerade an den Gewürznelkenduft gewöhnt hatte. Er knabberte nämlich immer solches Zeug. Er wohnte bei meiner Tante. Sie hatte ihn bei einem Vortrag über Sonnenflecken kennengelernt, aber sie wußte nicht, daß er verheiratet war, bis ihn seine Frau bei uns abholte. Sie war äußerst neu und dankte mir, daß ich mich um ihn gekümmert habe. Diese Frau hat sich für ihren Mann sehr interessiert. Die Frauen sollten eigentlich ihre Männer gründlich kennenlernen, bevor sie heiraten. Meinst du nicht auch, Gordon?«
Mr. Selsbury seufzte.
»Ich glaube, du redest da einen großen Unsinn, und ich wünsche beim Himmel, daß du deinen Mann kennenlernst!«
Sie lächelte, aber sie antwortete nicht. Sie fühlte, daß sie ihn für heute genügend geärgert hatte. Er war im Begriff, vom Frühstückstisch aufzustehen, als sie sich auf eine Frage besann, die sie ihm vorlegen wollte.
»Gordon, gestern kam doch ein Mann mit einem griechischen Namen hierher -«
»Du meinst mit einem lateinischen - es war Mr. Superbus.«
Sie nickte.
»Was wollte der eigentlich? Wen suchte er?«
»Er war hinter einem Verbrecher her, einem Mann, der allgemein als der ›Doppelgänger‹ bekannt ist. Er ist ein ganz gemeiner Schwindler.«
»Ach so«, sagte Diana und schaute auf das Tischtuch. »Gehst du jetzt fort, Gordon? Wann wirst du wieder nach Hause kommen?«
»Wenn es meine Geschäfte gestatten«, sagte er würdevoll.
»Weißt du, Diana, daß noch niemals jemand diese Frage an mich gerichtet hat?«
»Aber ich frage dich doch täglich danach!« sagte sie erstaunt.
»Ich meine natürlich, niemand außer dir. Mein Kommen und Gehen ist noch nie kontrolliert worden. Und ich sehe auch gar nicht ein, warum das nötig ist.«
»Aber ich frage doch nur ganz bescheiden. Ich will doch nur wissen, wann das Abendbrot fertig sein muß.«
»Es ist möglich, daß ich heute abend nicht zu Tisch komme«, sagte Gordon kurz. Er ging fort, um sich in seine Tätigkeit zu stürzen, denn sein Geschäft war in letzter Zeit sehr aufgeblüht, und er war gerade damit beschäftigt, einen neuen Versicherungszweig zu organisieren. Er war fest entschlossen, die Frage, die ihn in seinen Gedanken und Überlegungen störte, für die Stunden seiner Arbeitszeit auszuschalten. Erst beim Mittagessen dachte er wieder an die beabsichtigte Reise nach
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