Mein bestes Stuck
Kapitel 1
N ˚19? N˚19? ?« Onkel Quinn war einem Nervenzusammenbruch gefährlich nah. »Schätzchen, bist du denn von allen guten Geistern verlassen?«
Julia Douglas warf dem Sicherheitsbeamten an der Gepäckdurchleuchtung einen entschuldigenden Blick zu. Der Flughafen Charles de Gaulle war bekannt für seine strengen Sicherheitsvorschriften. Dies war also ganz und gar nicht der richtige Augenblick, dass Onkel Quinn die Wahl ihres Parfüms infrage stellte. Hinter ihnen hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet, und die Leute warteten ungeduldig darauf, endlich ihr Flugzeug zu besteigen – und Julias Einhundert-Milliliter-Parfümflakon hielt sie davon ab.
»Chanel N˚19 ist der Duft der Macht! Wie alt bist du, vierundzwanzig?«
»Sechsundzwanzig!«, erwiderte Julia.
Onkel Quinn wies mit dem Kopf auf die kleine Flasche, die der Beamte in Händen hielt, nachdem er ihnen zuvor erklärt hatte, dass Julia das Parfüm nicht mit an Bord ihres Fluges nach Edinburgh nehmen dürfe.
»Du solltest N˚5 tragen, Schätzchen! N˚5 ist geradezu für dich geschaffen – und für Marilyn Monroe natürlich. N˚19 bist so was von gar nicht du! Es besagt Kontrolle, es besagt Reife …«
»Monsieur!« Der Sicherheitsbeamte hatte augenscheinlich genug von Onkel Quinns ausufernden Weisheiten. »Mir persönlich ist es völlig egal, was diese Flasche besagt. Ich kann Ihnen leider nur eines sagen, Mademoiselle«, und damit wandte er sich wieder Julia zu, »es tut mir leid, aber ich werde dieses Parfum entsorgen müssen.«
»Kein Problem«, sagte Julia gelassen. »Die Flasche ist ohnehin schon halbleer. Nächstes Mal packe ich alles in den Koffer.« Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie daran dachte, dass sie das nächste Mal, wenn sie ein Flugzeug bestieg, Mrs Julia Landini sein würde. Na, wenn das nicht ein Chanel N˚19-kompatibler Name war!
»Was meinst du«, setzte Onkel Quinn erneut an, »wenn wir das Parfum nicht mitnehmen können, warum benutzen wir es nicht, hm?«
»Was, die halbe Flasche?« Julia warf dem Beamten einen flehentlichen Blick zu.
»Ja, warum nicht?« Quinn trat vom Gepäckband zurück und wandte sich an die wartenden Menschen hinter ihnen. »Guten Tag! Hello there! Bonjour, tout le monde! Wem darf ich einen kleinen Spritzer Chanel N˚19 anbieten, um die Reise ein wenig zu versüßen?« Er streckte die Hand nach der Flasche aus, die der Beamte immer noch fest umschlossen hielt. »Kommen Sie schon, geben Sie her, die haben wir in null Komma nichts verbraucht.« Dann sprach er erneut die anderen Passagiere an. »Dieses Angebot sollte übrigens nur für diejenigen von Ihnen gelten, die bereits ein gewisses Alter erreicht haben. Sie wissen ja, was man über N˚19 sagt. Hätten wir es hier mit N˚5 zu tun, würde ich ja jedem einen kleinen Spritzer abgeben, aber …« Doch Onkel
Quinn hatte sein Publikum falsch eingeschätzt. Seine Rede wurde lediglich mit versteinerten Mienen, verächtlichem Gemurmel und unruhigem Fußscharren quittiert.
»Monsieur, wenn wir uns von wildfremden Menschen mit Parfum besprühen lassen wollen, gehen wir in die Galeries Lafayette. Würden Sie nun bitte so freundlich sein, uns nicht länger aufzuhalten?«, bemerkte scharf eine blasse Rothaarige mit hochgeschobener Sonnenbrille.
Doch dann trat eine elegante Pariserin von ungefähr siebzig aus der Schlange hervor und sagte: »Ich nehme sehr gern einen Tropfen. Es wäre doch eine wahre Schande, auch nur einen Spritzer Chanel zu verschwenden.«
»Madame, ich verneige mich ehrfürchtig vor Ihrer Weisheit!«, erwiderte Onkel Quinn und machte eine ausladende Geste. Julia wusste nur zu gut, wie sehr ihm ältere, exzentrische Damen wie diese gefielen.
In dem Moment schossen weitere Hände in die Höhe und die Flasche wurde in der Menge weitergereicht.
»Monsieur!« Der Tonfall des Beamten war nun noch forscher geworden. »Bitte gehen Sie durch die Schranke bis zum Ende des Gepäckbandes und nehmen Sie Ihr Handgepäck entgegen. Danke.«
Julia fragte sich, ob die Sicherheitsbeamten am Ende ihrer Schicht gemeinsam den Inhalt der großen Plastikbox durchwühlten und die Beute unter sich aufteilten.
»Onkel Quinn, du bist wirklich unmöglich!«, sagte sie und lächelte ihn an. »Aber ich hab dich sehr gern.«
Endlich war Julia an der Reihe und konnte ihre kostbare, hellbraune Bottega-Veneta-Handtasche auf dem Gepäckband abstellen – Lorenzo, ihr wunderbarer Verlobter,
hatte sie erst zwei Wochen zuvor mit diesem Prachtstück
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