0267 - Der Hexenwürger von Blackmoor
glauben, bis ich es mit eigenen Augen sah, obwohl ich eigentlich nichts gesehen habe, erst auf dem Film, wie Sie gleich erkennen können, Mr. Sinclair. Deshalb geben Sie acht.«
Während seiner Worte war die Kamera immer näher auf das geheimnisvolle Schloß zugefahren.
Ich kannte alte Schlösser und Burgen zur Genüge, hatte mich bereits in zahlreichen von ihnen herumgetrieben und erkannte sofort, daß dieses Schloß nicht mehr bewohnt war.
Man konnte in den Fragmenten und Resten der Burg nicht hausen. Das waren nur noch Ruinen.
Vor dem Schloß schimmerte der Sumpf. Er führte bis in den Wald hinein, wo die Bäume keine Blätter mehr zeigten, sondern ihre kahlen Äste wie Totenarme in den Himmel reckten. Ein Brand schien gewütet und den größten Teil vernichtet zu haben.
Ich hörte wieder die Stimme des Ornithologen.
»Gleich ist es soweit, Mr. Sinclair. Bisher läuft noch alles normal. Auf Blackmoor Castle und in der näheren Umgebung sieht es wirklich so aus, wie auf dem Film zu erkennen ist. Eine richtige Schauerkulisse. Passen Sie auf! Sehen Sie die Bewegung da?«
Ich beugte mich vor und schaute genauer hin.
Ja, da sah ich eine Bewegung. Sie gehörte eigentlich nicht dahin, nicht in den Film, denn was meinen Augen präsentiert wurde, war eine Doppelbelichtung.
Es glich nicht nur einer, es war eine Doppelbelichtung.
Zwei Filme übereinander, wobei der erste mit dem zweiten nichts gemein hatte.
Der erste dominierte. Ich mußte mich konzentrieren, um den zweiten erkennen zu können, der sich wie ein Hauch über den ersten gelegt hatte.
Im zweiten spielten Personen mit.
Wenigstens sah ich ein Mädchen.
Wie ein Schatten huschte es über die Leinwand. Gespenstisch sah dies aus, als es über dem Sumpf schwebte oder durch die Nebelschleier huschte, als wollte es sich mit ihnen zu einer Einheit vereinigen.
Das Mädchen näherte sich. Es schien direkt auf die Kamera zuzulaufen und den Anordnungen eines Regisseurs zu gehorchen.
Ich hörte die Stimme des Wissenschaftlers, kümmerte mich aber nicht darum, was er sagte, denn der Film hatte mich irgendwie in seinen Bann gezogen.
Und das Mädchen rannte, es huschte über das Moor. Die Kleidung bestand nur mehr aus Fetzen. Sie flatterte wie die Reste einer Fahne um ihren Körper.
Das Haar war dunkel. Wie aufgebläht wurde es hinter ihr hergeschleift. Ich sah das verzerrte Gesicht und erkannte, daß das Mädchen Angst hatte.
Wovor? Wer hetzte es? Ich wußte die Antwort nicht, denn ich sah keinen Feind in der Nähe.
»Sehen Sie das Mädchen, Mr. Sinclair?«
»Natürlich.«
»Es gehört überhaupt nicht auf den Film«, flüsterte Barrows. »Überhaupt nicht. Ich weiß nicht, wo es hergekommen ist. Ich habe es bei den Aufnahmen nicht gesehen. Erst als ich den Film abspielte, tauchte es auf dem Streifen auf.«
»Was geschieht jetzt?«
»Warten Sie es ab, Mr. Sinclair. Etwas Schreckliches, glauben Sie mir. Sie werden starke Nerven haben müssen.«
»Die habe ich.«
Danach verstummte unser Dialog, denn beide konzentrierten wie uns wieder auf das Geschehen.
Das Mädchen rannte noch immer. Jedoch nicht mehr mit der Leichtigkeit wie zu Beginn. Die lange Flucht hatte Kraft gekostet, das Gesicht zeigte deutlich die Spuren der Anstrengung und ersten Erschöpfung. Dies war deutlich bei den Großaufnahmen zu sehen. Die Arme schlenkerten von einer Seite zur anderen. Sie schienen überhaupt nicht zu dem Körper zu gehören, und auch die Beine hatten es schwer, weiter in Bewegung zu bleiben. Zudem bot der Boden nicht genügend Widerstandskraft. Er war weich und zäh, denn es schien, als wollte er jeden Schritt des Mädchens verhindern.
Lange konnte die Kleine nicht durchhalten. Mir fiel jetzt erst ihre Kleidung auf. Sie war völlig unmodern und paßte nicht in die heutige Zeit. Obwohl der Flüchtling nur Fetzen am Leib trug, erkannte ich, daß so etwas einmal in der Vergangenheit modern gewesen war, aber nicht in der Gegenwart.
»Gleich passiert es«, flüsterte Dr. Barrows.
»Was?«
»Werden Sie schon sehen, Mr. Sinclair. Geben Sie genau acht und erschrecken Sie nicht. Ich habe nämlich mit der Kamera einen Schwenk gemacht, wie Sie erkennen können.«
Der Schwenk erfolgte. Ich sah plötzlich rechts am Bildrand eine unheimliche Gestalt.
Wie aus dem Nichts erschien sie. Sie stand plötzlich da und erinnerte an ein Denkmal. Ich hatte sie nicht erwartet, und trotz der Vorwarnung war ich überrascht.
Die Gestalt schien aus dem Sumpf gestiegen zu sein. Sie trug
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