0269 - Blutfehde zwischen Wolkenkratzern
ja enthalten sein.
Jetzt erst begriff Laurenti, dass er sich in einer Schlinge verfangen hatte. Er senkte den Kopf.
»Ich werde reden, denn Sie bekommen es ja doch heraus.«
Spannung lag auf unseren Gesichtem.
»Meine Frau hieß tatsächlich Luise Abbata. Vor der Eheschließung machte man mich darauf aufmerksam, dass es innerhalb der Familie zu Komplikationen kommen könnte. Die Abbatas liegen mit einer anderen korsischen Familie seit über siebzig Jahren in Blutfehde. Diese Fehde beruht darauf, dass ein Abbata einmal ein Eheversprechen nicht erfüllt hat. Die Fehde wird so lange ihre Opfer finden, bis eine der beiden Familien restlos ausgerottet ist.«
Sturgiss beugte sich vor. »Wollen Sie damit sagen, dass diese alte Geschichte das Motiv für den Mord an Amalio Abbata ist?«
Laurenti nickte. »Indirekt ja. Vor siebzig Jahren wanderte Carlo Abbata nach Australien aus, um sich der Ehe mit einem Mädchen der Nachbargemeinde zu entziehen. Ein Bruder des Mädchens folgte ihm nach Australien und ermordete ihn drei Jahre später in einem Vorort von Sydney. In Korsika war diese Strafe nur eine gerechte Sühne für die Schmach, die Carlo Abbata der anderen Familie angetan hatte. Sein Tod wiederum wurde zwei Jahre später von einem Abbata gerächt, der kurz darauf vergiftet wurde. So ging es immer weiter nach dem uralten Gesetz: Blut gegen Blut. Amalio ist der vierzehnte Tote in diesem Familienstreit.«
Was wir da hörten, war unglaublich.
»Wollen Sie uns jetzt sagen, warum der G-man sterben musste, der Ihnen den Brief Abbatas überbrachte«, fragte ich.
»In dem Brief beauftragte mich Amalio, seinen Tod zu rächen. Ich befürchtete, dass mich Mister Salko an der Abreise nach New York hindern würde. Meinen Eid musste ich jedoch unter allen Umständen halten. Ich lockte ihn ins Badezimmer und erschlug ihn von hinten. Dann zog ich mich um und packte meinen Koffer, um nach New York zu fliegen.«
»Sie wollen dort diesen Julian umbringen?«, fragte ich.
»Yes. Sie haben mich daran gehindert. Meine Tat hat mit der Blutfehde der Abbatas nichts zu tun, und ich weiß, dass Sie mich in die Gaskammer schicken werden. Mein Tod wird für die Öffentlichkeit ein legaler Tod sein, aber die korsische Blutrache wird auch Sie treffen, Agent Cotton.«
»Es kommt Ihrer Familie also auf einen G-man oder weniger nicht an, Laurenti?«, fragte ich.
Er zuckte die Achseln. »Durch die Heirat mit Luisa bin ich in die Gemeinschaft der Abbatas aufgenommen worden. Ihre Probleme sind auch die meinen. Ich musste meine Zugehörigkeit durch die Hinrichtung Julians beweisen. Ich habe keine Verwandten mehr aus meiner eigenen Familie. Vielleicht lassen die Abbatas Sie zufrieden, Agent Cotton, weil ich für eine Tat bestraft werde, die mit der Familienfehde nichts zu tun hat. Wir haben einen sehr strengen Ehrenkodex. Aber hüten Sie sich vor einem Todesurteil gegen einen Korsen, der einen anderen Korsen umgebracht hat.«
McNally brauste auf. »Sie wagen es von einem Ehrenkodex zu sprechen, für den Sie einen jungen FBI-Agenten kaltblütig und brutal mit einem Schürhaken erschlagen haben?«
***
Das Verhör wurde abgebrochen und Laurenti in die Zelle zurückgebracht. Wir sichteten noch die Untersuchungsergebnisse, bevor ich in das Hotel zurückkehrte. Alles, was man in Amalio Abbatas Wohnung gefunden hatte, und was mir für die New Yorker Ermittlungen wichtig erschien, nahm ich mit.
Am Montag wohnte ich den Trauerfeierlichkeiten für Frank Salko bei. Dienstagmorgen verabschiedete ich mich dann von meinen kalifornischen Kollegen und flog nach New York zurück. Dabei sichtete ich noch einmal das Material aus Abbatas Wohnung. Es waren Briefe von verschiedenen Leute. Überwiegend waren als Absender andere Abbatas angegeben. Wahrscheinlich handelte es sich um Amalios Geschwister. Ich besaß auch ein paar Fotos - die wir in der Wohnung gefunden hatten - sowie Programm-Hefte einiger Night-Clubs, in denen Amalio gearbeitet hatte. Nirgends jedoch fand ich einen Hinweis auf die verfeindete Familie, mit der die Abbatas angeblich in Blutfehde lebten. Auch Dino Laurenti hatte uns den Nachnamen dieser Familie verschwiegen, damit wir keine Schutzmaßnahmen ergreifen konnten.
Zum ersten Mal in meiner Laufbahn standen wir gegen Menschen, die sich bei ihren Taten auf eine Tradition beriefen. Jahrhunderte galt vorsätzlicher Mord nach ihren uralten Riten als legal.
***
Lärmendes Leben erfüllte das Gelände des Wallabout Marktes im Norden von Brooklyn. Hier
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