0274 - Astrano - Herr der Geister
stürzten und Nicole entführten…
»Warum?« flüsterte er. »Warum tut ihr das? Warum rettet ihr mich?«
Die Geister antworteten nicht.
Aber jetzt sah Zamorra, daß etwas an ihnen anders war.
Ihre Augen leuchteten nicht rot!
Sie waren bleich und weißlich wie alles andere an ihnen. Lag es daran? Er nickte. So mußte es sein. Rot leuchteten sie nur, wenn sie bösartig waren - wie Astrano, den Zamorra nirgends mehr sehen konnte.
Geister in Astranos Gewalt…
Doch im Moment waren sie frei!
Er kam taumelnd hoch. Einer der Geister glitt auf ihn zu, streckte seinen gespenstisch durchsichtigen Arm aus und berührte mit der bleichen Hand Zamorras Stirn. Im gleichen Moment fühlte Zamorra die Kraft, die ihn durchpulste.
Der Geist gab ihm etwas von sich, das er selbst nie wieder zurückerhalten konnte…
Zusehends erholte sich der Professor, während der Geist schwächer zu werden begann, immer durchsichtiger wurde!
»Nicht«, wehrte Zamorra ab und trat einen Schritt zurück. »Vernichte dich doch nicht selbst, um mir zu helfen…«
Doch der Geist löste sich nicht von ihm. Immer noch floß der Kraftstrom und stärkte Zamorra, durchpulste ihn frisch.
Erst als der Geist nicht mehr existierte, hörte der Vorgang auf. Zamorra atmete erschüttert durch. Das Wesen opferte sich, um ihm zu helfen, vielleicht, um ein Verbrechen wiedergutzumachen…?
Zamorra sah die beiden anderen an.
»Warum - warum hat er das getan?«
Da wehte ihm die lautlose Antwort entgegen.
Weil nur du uns helfen kannst… Uns anderen, die wir noch sind… Hilf uns, dem Bann zu entrinnen, denn wir wollen nicht länger leiden und Sklavendienste tun!
Tief atmete Zamorra durch. »Ihr seid Astranos Sklaven? Ihr müßt ihm dienen?«
Seinen Namen kennen wir nicht, wie wir auch unsere eigenen Namen nicht mehr kennen. Doch er ist der Meister und zwingt uns zu unserem Tun, wann immer er will! Hilf uns.
Zamorra nickte.
»Ich helfe euch«, sagte er. »Erst sehe ich nach meinem Freund, dann bringt mich zu dem Meister, wo immer er auch ist. Ich werde ihn unschädlich machen!«
Und während er in die Manege schritt, um zu sehen, was aus seinem Freund Gryf geworden war, begann er, sich den Kopf zu zerbrechen. Wie konnte er ohne Merlins Stern gegen Astrano bestehen…?
Fenrir knurrte wieder.
***
Es dauerte einige Zeit, bis Nicole wieder halbwegs klar denken konnte. Der Geist hatte sie doch nicht getötet! Sie konnte ihn jetzt auch wieder sehen. Nebelhaft schimmernd hockte er ihr gegenüber, mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf.
Kannst du mir verzeihen? strömten seine Gedanken auf die Französin ein.
Nicole schluckte. »Was soll der Sinneswandel? Willst du mich auf diese Weise foltern? Du spielst den Reumütigen, und bei der nächsten Gelegenheit fällst du wieder über mich her!«
Der Geist hob abwehrend beide Hände. Nein, nein, schrien seine Gedanken. Ich irrte mich… Die Auskunft des Meisters war falsch! Er hat mich betrogen und alle anderen!
Nicole erholte sich mehr und mehr. Das Sprechen bereitete ihr zwar noch Mühe, aber sie konnte sich verständlich machen; der Schmerz im Hals ließ nach.
»Erkläre dich!« verlangte sie schroff. Sie begriff das Verhalten des Geistes nicht so recht.
Der Meister befahl mir, dich für deine Lüge zu bestrafen. Er sagte, niemals könntet ihr uns befreien. Sein Zwang sei stärker. Doch dann, als du dich der Schwelle zu unserer Welt nähertest, sah ich in dir die Liebe! Doch wer liebt, kann nicht lügen… Und deshalb muß der Meister uns belogen haben, denn er liebt nicht. Er haßt!
Nicole atmete tief durch. »Er haßt«, murmelte sie. »So einfach ist das also… Aber wen haßt er, und warum?«
Der Geist gab keine Antwort. Er leuchtete plötzlich stärker als zuvor, dehnte sich aus, glitt irgendwie durch Nicole hindurch. Er füllte den gesamten Innenraum der Kiste aus. Und dann begann das Material zu knirschen.
Das, was Nicole nicht gelungen war, gelang dem Geist. Der Körperlose sprengte die Kiste auf!
Krachend flog der Deckel davon. Die Seitenwände platzten weg. Der Geist schrumpfte wieder zu einem nebelhaften Wesen zusammen, das in der Dunkelheit leuchtete. Immer noch war sie absolut. Aber dann flammte Licht auf.
Indirekte Beleuchtung!
Geblendet schloß Nicole die Augen, preßte die Hände davor, weil nach der langen Dunkelheit auch das indirekte Licht schmerzte. Nur langsam gewöhnte sie sich dran.
Der Geist schwebte in der Dschungellandschaft. Daran erkannte Nicole, wo sie sich befand:
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