0282 - Frühstück in der Todeszelle
zwischen ihm und Jack vorgegangen war.
Er musste untertauchen. Er hatte nur den einen Gedanken.
Nicht zurück nach Sing-Sing und nicht auf den elektrischen Stuhl, dem er damals nur knapp entronnen war.
John Keys lief nach Hause in das schäbige Zimmer. Die Frau war, wie üblich um diese Zeit, nicht da. Keys raffte seine wenigen Besitztümer zusammen und flüchtete.
Die Nacht verbrachte er irgendwo in der Delancey Street.
Um neun Uhr aß er in einer Imbissstube und studierte dort die Zeitungen.
Er las eine Notiz, dass ein gewisser Jack Myrner wahrscheinlich im Verlauf eines Streites in der First Avenue erwürgt worden war. Dieser Myrner wurde als eine zwielichtige Gestalt bezeichnet, als kleiner Ganove, der sich noch niemals hatte erwischen lassen und von dem niemand wusste, wovon er lebte. Es war keine Rede von der Person seines Mörders, aber es wurde behauptet, die Polizei verfolge gewisse Spuren, und es sei mit einer Verhaftung zu rechnen.
Für John genügt das. Er wusste nicht, dass dies die übliche Formulierung war. Er glaubte, die Cops seien ihm bereits auf den Fersen.
Jetzt schien ihn der Weg zu einem anständigen Leben ein für allemal verbaut. Er glaubte nur noch in der Unterwelt eine Chance zu haben.
***
Mein Freund Phil Decker und ich, wir saßen am 12. März des Jahres 1958 in dem berühmten Rainbow Room im 65. Stockwerk des RCA-Rundfunkgebäudes im Rockefeller Center bei einem Cocktail und blickten durch das Fenster über die lichterflimmernde Stadt. Es war ein kühler Abend. Meine Uhr zeigte acht Uhr zwanzig an. Im Office des New Yorker FBI-Distriktsgebäudes in der 69. Straße war es heute verhältnismäßig ruhig gewesen. Infolgedessen hatten wir ausnahmsweise einen gemütlichen Abend vor uns.
Zur Rechten zog sich das strahlend erleuchtete Band der Fifth Avenue dahin und zur Linken, jenseits des jetzt kahlen und mit Schnee bestäubten Central Park, der Broadway, der sich in der Ferne im Häusergewirr von Harlem verlor.
»Was ist denn das?«, fragte Phil und deutete dahin, wo rechts im Norden die Bronx lag.
Ganz weit entfernt, es musste noch jenseits des Harlem River sein, war ein gelbes, zuckendes Licht aufgeflammt, das für mehrere Sekunden wie ein Blitz in der Luft stand und dann wieder in sich zusammenfiel. Aber an der Stelle, an der es erschienen war, blieb eine rote, flackernde Glut.
»Eine Explosion«, sagte ich. »Es sieht aus, als ob ein ganzes Munitionslager in die Luft geflogen sei.«
»Dort gibt es keine Munitionslager. Es muss etwas anderes sein«, behauptete Phil. »Fragen wir einmal im Hauptquartier der Stadtpolizei an.«
Da wir ohnehin die Absicht gehabt hatten, wegzugehen, zahlten wir und betraten eine der Telefonzellen. Die Bereitschaft der City Police meldete sich.
»Wissen Sie, was vor wenigen Minuten in der Bronx passiert ist? Und zwar muss es ungefähr in der Gegend der Jerome Avenue gewesen sein?«, fragte ich.
»Wir wissen es selbst noch nicht genau. Irgendetwas ist in die Luft geflogen, und zwar in der Morris Avenue. Wir erwarten jede Minute genaue Nachricht.«
Das war alles. Wir fuhren hinunter, und als wir in meinen Jaguar kletterten, beschlossen wir, nachzusehen, was in der Bronx passiert ist.
Es war ein Weg von zehn Meilen, den wir in fünfundzwanzig Minuten zurücklegten.
Schon als wir über den Harlem River fuhren, konnten wir die rote Glut am nächtlichen Himmel deutlich erkennen. Es musste ein gewaltiges Feuer sein.
Endlich waren wir angelangt.
Die Straße war abgesperrt und mit Fahrzeugen der Feuerwehr zugestellt. Aus einem Dutzend Schläuchen ergossen sich die Wassermassen in den glühenden Trümmerhaufen, der einmal ein Haus gewesen sein musste und aus dem immer noch rote Flammen züngelten.
Wir stoppten und zückten unsere Ausweise. Die Absperrungsbeamten ließen uns passieren. Ein fremder Police-Lieutenant stand bei einem Feuerwehrofficer und an die beiden wandten wir uns.
»Cotton und Decker vom FBI«, stellte ich uns vor. »Was ist hier los?«
»Darüber sind wir uns noch nicht klar«, antwortete der Lieutenant. »Das, was Sie da sehen, war einmal das Bronx-Hotel. Es flog vor einer halben Stunde buchstäblich in die Luft. Entweder müssen im Keller Sprengstoffe gelagert haben, die sich entzündeten, oder es wurde ein Anschlag verübt und eine Höllenmaschine zur Explosion gebracht. Die Leute von der Brandfahndungs- und Sprengstoffabteilung des Hauptquartiers sind bereits unterwegs. Leider gibt es, so weit wir bisher feststellen können,
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