Pretty Little Liars - Vogelfrei: Band 8
SCHAU NOCH MAL GENAU HIN
Es heißt, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Eine Überwachungskamera filmt eine schöne Brünette, die sich mit einer Handvoll goldener Tiffany-Schmuckstücke davonschleicht. Ein Paparazzi-Foto bringt die Affäre zwischen einer jungen Aktrice und einem verheirateten Regisseur ans Licht. Aber die Bilder verraten nicht, dass das Mädchen eine Verkäuferin ist, die ihrer Chefin die Juwelen bringt, oder dass der Regisseur bereits letzten Monat die Scheidung eingereicht hat.
Und wie ist es mit Familienfotos? Nehmen wir zum Beispiel eine Aufnahme von Mom, Dad, Schwester und Bruder, die grinsend auf der Veranda eines luxuriösen viktorianischen Herrenhauses stehen. Jetzt schau genauer hin. Dads Lächeln wirkt irgendwie gezwungen. Mom schaut nach links zum Haus ihrer Nachbarn – oder vielleicht zu einem Nachbar. Der Bruder umklammert das Verandageländer so krampfhaft, als wolle er es auseinanderbrechen. Und die Schwester lächelt so geheimnisvoll, als hüte sie ein skandalöses Geheimnis. Oder ist das alles nur Einbildung? Der halbe Hintergarten wird von einem riesigen gelben Bulldozer umgegraben und weit im Hintergrund lungert jemand herum. Eine Gestalt mit blonden Haaren und heller Haut.
Ist das ein Typ … oder ein Mädchen? Oder nur eine Spiegelung oder ein fettiger Fingerabdruck?
Vielleicht bedeuten ja all die kleinen Details, die du beim ersten Hinschauen übersehen hast, viel mehr, als du dir vorstellen kannst.
Vier hübsche Mädchen aus Rosewood haben ihrer Meinung nach ein klares Bild davon, was in jener Nacht geschehen ist, in der ihre beste Freundin verschwand. Jemand ist verhaftet worden, der Fall ist geklärt. Aber wenn sie ihre Erinnerungen noch einmal durchkämmen und sich auf die Erscheinungen am Rande ihres Blickfelds, das ungute Gefühl, das sie nicht loswerden, und die Menschen direkt vor ihrer Nase konzentrieren, dann verändert sich dieses Bild vielleicht vor ihrem inneren Auge. Wenn sie tief Luft holen und genau hinschauen, dann würde sie in Erstaunen – und Schrecken – versetzen, was sie entdecken.
Das Leben schreibt eben die besten Geschichten. Vor allem hier in Rosewood.
Es war ein nebliger, mondloser Juniabend. Grillen zirpten im dichten, dunklen Wald und das ganze Viertel roch nach blühenden Azaleen, Zitronellakerzen und Poolreiniger. Brandneue Luxusautos schlummerten in Dreiergaragen. Wie überall in Rosewood, einem ländlich schicken Städtchen zwanzig Meilen von Philadelphia entfernt, war alles gepflegt und ordentlich und alle befanden sich genau dort, wo sie sein sollten.
Fast alle.
Alison DiLaurentis, Spencer Hastings, Aria Montgomery,
Emily Fields und Hanna Marin schalteten alle Lichter in der zur Wohnung umgebauten Scheune hinter Spencers Haus an und bereiteten sich auf ihre Pyjamaparty zur Feier des Endes des siebten Schuljahrs vor. Spencer warf schnell ein paar leere Corona-Flaschen in den Glasabfall. Sie gehörten ihrer Schwester Melissa und deren neuem Freund Ian Thomas, die Spencer vor wenigen Minuten erst aus der Scheune vertrieben hatte. Emily und Aria warfen ihre Reisetaschen in eine Ecke. Hanna warf sich auf die Couch und bediente sich am übrig gebliebenen Popcorn. Ali schloss die Tür und schob den Riegel vor. Niemand hörte die Schritte im taufeuchten Gras oder sah den Atemhauch auf der Fensterscheibe.
Klick.
»Also, ihr Süßen«, begann Alison und setzte sich auf die Lehne des Ledersofas. »Ich habe mir für heute Abend was besonders Cooles ausgedacht.« Das Fenster war geschlossen, aber das Glas war dünn und ihre Worte drangen durch die Scheibe in die stille Juninacht hinaus. »Ich habe gelernt, wie man Leute hypnotisiert. Ich hypnotisiere euch alle in einem Rutsch.«
Es gab eine lange Pause. Spencer zupfte am Gummizug ihres Rocks. Aria und Hanna tauschten einen besorgten Blick.
»Bittebitte«, bettelte Ali und drückte die Handflächen wie im Gebet aneinander. Sie schaute zu Emily. »Du willst doch, stimmt’s?«
»Äh …« Emilys Stimme zitterte. »Nun …«
»Ich mache mit«, sagte Hanna schnell.
Klick.
Surr.
Alle anderen stimmten zögernd zu. Wie hätten sie auch ablehnen können?
Ali war das beliebteste Mädchen an der Rosewood Day, der Schule, die sie alle besuchten. Alle Jungs wollten mit ihr ausgehen, alle Mädchen wollten so sein wie sie. Eltern hielten sie für perfekt und sie bekam immer, was sie wollte. Für Spencer, Aria, Emily und Hanna war ein Traum wahr geworden, als Ali sie in der sechsten Klasse
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