0284 - Gehirn-Gespenster
eine Packtasche werfen. Er brauchte nicht viel. Schließen konnte er die Tasche so nicht, aber wenn er sie sich mit den Bügeln über den angewinkelten Arm hing, ging es auch so. Und die Tür stellte für ihn kein Hindernis dar.
Er war doch jetzt para-begabt! Er konnte doch seine unheimlichen Kräfte aus sich heraus wirksam werden lassen und in einer Teleportation verschwinden! Und niemand konnte ihn festhalten.
Noch zögerte er. Kurz dachte er daran, ob es nicht möglich war, eine Phantasie-Gestalt zu schaffen, die Kent und Sheldon tötete - was keinem Menschen auf normalem Wege gelang, mußte einem Wesen ihrer Art mühelos möglich sein. Aber dann wurde ihm klar, daß er das Problem damit nur verlagerte. Denn dann existierte da immer noch die neue Kreatur und beanspruchte ebenfalls ihr Recht auf Existenz. Und als Killer entworfen, würde sie auch vor weiteren Morden und Grausamkeiten nicht zurückschrecken, um die eigene Existenz zu sichern. Eine Kostprobe dessen, was möglich war, hatte Blake ja erlebt -seine ehemaligen Hände redeten eine deutliche Sprache.
Nein. Er konnte nur das letzte Kapitel schreiben und seine Phantasie-Gestalten damit vernichten. Und dann mußte der Epilog kommen, das allerletzte Nachwort.
Denn er wußte, daß er seine Para-Kräfte zwar akzeptieren, in dieser Form aber nicht damit leben konnte. Ständig mußte er gewärtig sein, neue Schreckenswesen zu erschaffen, die ihn vor ebensolche Probleme stellen würden wie Kent und Sheldon. Das aber durfte nicht sein.
Er erinnerte sich an die nebelhaften Schattengeister, die in der kurzen Phase seiner geistigen Verwirrung zu Hunderten entstanden waren. Alles Schatten von Figuren, die er in früheren Romanen und Kurzgeschichten erschaffen hatte. Nein, es durfte nicht so weitergehen. Vorher, als er noch von dieser silbernen Zauberscheibe abhängig war, hätte es eigentlich genügt, sich von dieser möglichst fernzuhalten. Jetzt aber hatte sich sein Unterbewußtsein davon gelöst.
Er schob den linken Arm durch die Bügel der Packtasche, hob diese an und dachte intensiv an ein Ziel in weiter Ferne, wo er für eine kurze Weile seine Ruhe finden würde. So lange, bis er mit einem Holzstab das letzte Kapitel für Kent und Sheldon in den Sand gemalt hatte.
Und er aktivierte seine Para-Kraft.
***
Jimmy Kent reagierte sofort. Sein Fuß schnellte vor, um die vor Zamorra stehende Nicole zu treffen. Sie wich blitzschnell zur Seite aus, packte den Fuß und drehte. Mit einem wütenden Schrei ging Kent zu Boden. Taury Sheldon griff über ihn hinweg, bekam Nicole am Kragen ihres schwarzen Overalls zu fassen und riß sie über den stürzenden Kent hinweg. Nicole konnte gerade noch die Hände vorstrecken, um nicht mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen.
Zamorra schleuderte das Amulett auf kurze Distanz wie einen Diskus. Es knallte wie ein Pistolenschuß, als Merlins Stern Taury Sheldon traf. Sie wurde rückwärts in den Lift gestoßen. Augenblicke später schloß sich die Tür. Taury warf sich wieder nach vorn, während das Amulett zu Boden polterte, und geriet zwischen die beiden zugleitenden Türhälften. Sie schrie auf.
Kent reagierte aus seiner liegenden Position und winkelte wieder die Arme an zum magischen Schlag. Tendyke trat ihm kräftig vors Schienbein. Jimmy Kent heulte auf, verlor die Konzentration, und Tendyke betäubte ihn mit einem Handkantenschlag. Zwischen den Lifttüren eingekeilt, machte Taury die Dreifingerbewegung, um Tendyke mit einem ihrer Blitze niederzustrecken. Zamorra stand günstig, setzte ihr die Händkante auf den Unterarm, und der Blitz ging in die falsche Richtung -schräg nach unten.
Jimmy Kent war von einem Moment zum anderen ein loderndes Feuermeer, das ebenso rasch wieder erlosch, wie es aufgeflammt war. Aber da war von Jimmy Kent schon nichts mehr übrig.
Taury warf sich erschrocken, dann aber mit einem höhnischen Gelächter in den Lift zurück. Der schloß sich und ruckte an. Aufwärts.
»Treppe!« schrie Nicole und spurtete schon hinauf. Zamorra begriff erst in diesem Moment, daß sein Amulett bei Taury Sheldon in der Liftkabine lag, und folgte seiner Gefährtin. Tendyke zögerte noch. Er sah sich prüfend nach allen Seiten um. Niemand hatte den kurzen Kampf beobachtet, nirgendwo öffnete sich eine Zimmertür. Entweder schliefen die anderen Hotelgäste inzwischen zu tief, oder sie hatten von all der Hektik die Nase gestrichen voll und dachten nicht daran, einen Blick nach draußen zu riskieren und damit die Gefahr
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