0284 - Gehirn-Gespenster
Roger M. Blake zuckte zusammen. Von einem Moment zum anderen waren sie da - rasende Kopfschmerzen, wie er sie in dieser Stärke noch niemals zuvor erlitten hatte! Seine Hände fuhren zu den Schläfen hoch, preßten dagegen, aber der Kopfschmerz ließ sich davon natürlich nicht beeindrucken! Blake stöhnte leise auf.
Vor ihm die Schreibmaschine, ein Bogen Papier eingespannt, zur Hälfte beschrieben. Weitere Bögen lagen weiß oder betippt rechts und links neben der Maschine auf dem Schreibtisch. Der vierunddreißigjährige Blake bestritt seinen Lebensunterhalt durch das Schreiben von Romanen und Kurzgeschichten. Derzeit arbeitete er an einem Roman mit parapsychologischem Einschlag, kam aber nicht so recht weiter. Fast glaubte er schon, sich mit diesem Thema übernommen zu haben, und deshalb hatte er sich auch ins Flugzeug gesetzt und war nach Nairobi geflogen, um einem parapsychologischen Kongreß beizuwohnen und sich dabei neue Ideen und vielleicht auch ein verbessertes Fachwissen durch Gespräche mit den Experten zu beschaffen. Seine Schwester, zehn Jahre jünger als er, war einfach mitgeflogen, weil sich die Gelegenheit so erbot und sie auch mal etwas anderes kennenlernen wollte als nur San Francisco und Umgebung. Afrika, Kenia, reizte sie, und während ihr Herr Bruder konzentriert arbeiten wollte, gedachte Patsy Blake, den Kurzurlaub von etwa sechs Tagen einfach nur zu genießen.
Roger M. Blake beugte sich vor. Diese Kopfschmerzen! Woher kamen sie? Das war doch nicht normal! Wenn er unter Umstellungsproblemen gelitten hätte, hätte sich das doch schon am ersten Tag zeigen müssen, nicht erst jetzt nach drei Tagen! Außerdem war er auch früher schon in allen Erdteilen herumgeflogen und gefahren, und so hatte es ihn niemals erwischt!
Himmel, wenn das so bleibt, ist der heutige Abend gestorben, dachte er verzweifelt. Dabei wollte er sich gerade heute mit drei international anerkannten Experten unterhalten!
Die Buchstaben auf dem Papier vor ihm flimmerten. Er versuchte, sie zu lesen, und plötzlich schaffte er es trotz des Stechens und Hämmerns in seinem Schädel. Und plötzlich stand vor seinem geistigen Auge ein kompletter Szenenablauf für ein ganzes Romankapitel! Gerade so, als stehe jemand hinter ihm und flüstere ihm zu, was er weiter zu schreiben habe - oder als gebe ihm jemand das fertige Kapitel zu lesen, und er brauchte es bloß abzuschreiben!
Es war fantastisch!
Und das alles trotz der immer noch rasenden Kopfschmerzen! Es hämmerte unter seiner Schädeldecke, als wollte eine ganze Kompanie bösartiger Kobolde sich gewaltsam einen Weg ins Freie bahnen!
Aber Roger M. Blake schrieb. Er stöhnte vor Schmerz, aber er wußte, daß er sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen durfte. Eine Inspiration in dieser Stärke erhielt man nur einmal im Leben, und er hämmerte wie ein Rasender auf die Tasten ein, tippte trotz des hohen Tempos fehlerfrei und fluchte, weil es so lange dauerte, ein neues Blatt einzuspannen. Der Schreibzwang war da, stärker als je zuvor! Und er verdrängte alles andere ringsum…
***
Zamorra wartete darauf, daß in jeder Sekunde etwas geschah. Aber es blieb alles ruhig. Der Parapsychologe preßte die Lippen zusammen. Wenn es keine Gefahr gab, warum warnte dann das Amulett? Merlins Stern war zwar in letzter Zeit als Waffe gegen die Schwarze Magie unzuverlässig geworden, nicht aber als Schutzschild. Ein Dämon oder Schwarzmagier in unmittelbarer Nähe…? Es mochte sein. Hier fand ein Parapsychologen-Kongreß statt, und es war anzunehmen, daß nicht alle Teilnehmer sich der trockenen Theorie verschrieben hatten, sondern daß es auch einige Praktiker unter ihnen gab - wie auch Zamorra einer war.
Er trat zu Nicole, die sich gerade den Schlüssel aushändigen ließ. »Wir haben eine süße kleine Suite«, verkündete sie. »Im siebten Stock. Nummer sieben-zwölf-A.«
Unwillkürlich mußte Zamorra schmunzeln. Dieses Luxushotel gehörte also auch zu denen, in welchen Aberglaube ganz groß geschrieben wurde. Zwölf-A, das war nichts anderes als eine dezente Umschreibung der ungeliebten Dreizehn. Zamorra störte sich nicht daran. Auch nicht, daß hier mit der Sieben und der getarnten Dreizehn gleich zwei magische Zahlen aufeinandertrafen. Er winkte einem zweiten Hotelboy, der sich der drei Koffer anzunehmen hatte, die er bisher selbst geschleppt hatte. Sieben Etagen waren auch im Lift ein wenig zuviel des Guten, und schließlich wurden die Jungs ja dafür bezahlt, daß sie Koffer
Weitere Kostenlose Bücher