0288 - Dämonen-Orakel
und der Spruch des mächtigen Druiden, dessen Ursprung in der Tiefe des Vergessens schlummert, öffneten Tore im Gefüge der Zeiten.
Vor Aurelians Augen veränderte sich die Situation. Erst schemenhaft und transparent, dann immer mehr feste Form annehmend, entstand vor ihm die Stadt Troja. Häuser aus gestampftem Lehm wurden überragt vom Palast des Königs Priamos aus schimmerndem, weißen Marmor.
»Wir haben Glück!« stieß Professor Zamorra hervor, der bereits in Troja gewesen war und den der Anblick der legendenhaften Stadt nicht mehr so sehr in seinen Bann zog. »Niemand ist zu sehen. So hat keiner unsere Ankunft bemerkt und wird Verdacht schöpfen!«
»Und was nun?« fragte Aurelian. »Suchen wir sofort den Kristall?«
»Wir müssen feststellen, wo die Menschen sind!« sagte Zamorra. »Hier, diese Straße führt zum skäischen Tor!«
Er zog Aurelian mit sich. Niemand hielt ihren Weg auf. Und dann prallte Zamorra zurück.
»Das Tor!« krächzte er. »Das Tor ist geöffnet!«
»Ich ahne etwas!« flüsterte Aurelian. »Der letzte Teil der Tragödie steht unmittelbar bevor! Wir werden die Trojaner am Strand finden. Du weißt, was uns dort erwartet!«
Professor Zamorra nickte. Er kannte die Sage vom Untergang Trojas genau.
Auf Anraten des listigen Odysseus schufen die Griechen ein mächtiges Pferd aus Holz und ließen in dessen hohlen Bauch ihre tüchtigsten Krieger klettern. Das restliche Heer segelte zu einer nahen Insel. Die Trojaner glaubten, daß die Griechen nach zehnjähriger Belagerung genug hatten und abgezogen waren.
Ein Grieche, der zurückgeblieben war, erzählte den Trojanern, daß dieses hölzerne Pferd ein Weihgeschenk an die Göttin Athene sei. -Wenn es die Trojaner zerstörten, dann würden die Götter den Griechen Sieg über Troja schenken. Wenn sie es jedoch in ihre Stadt brachten, dann würden die Götter selbst über die Stadt wachen.
Die Trojaner zogen das hölzerne Pferd in ihre Stadt. Der Priester Laokoon, der vor dem Pferd warnte, wurde von zwei Seeschlangen getötet. Die Trojaner rissen sogar einen Teil der Stadtmauer nieder, um das Pferd in die Mauern zu bekommen.
In der Nacht wurde ein Fest gefeiert, bei dem der Wein in Strömen floß.
Als die Trojaner im Rausch einschliefen, stiegen die Krieger aus dem Bauch des hölzernen Pferdes und öffneten das Tor. Mit Fackelzeichen wurde die Flotte der Griechen zurückgerufen.
Das war das Ende der unglücklichen Stadt Troja…
Professor Zamorra wußte, daß alle Sagen auf einen wahren Kern beruhten. Der Untergang von Troja stand unmittelbar bevor. Schon aus weiter Ferne sahen sie am Strand des Meeres ein gigantisches Pferd stehen.
»Ich habe davon gehört!« erklärte der Parapsychologe Aurelian, während sie mit raschen Schritten hinab zum Strand gingen. »Die Dämonen-Götzen haben es erbaut. Und Odysseus wird durch die Rüstung des Achilles so geschützt, daß er es lenken kann. Nur, daß es nicht aus Holz ist… denn die Dämonen-Götzen verstehen sich auf Technik!«
»Ich verstehe!« nickte Aurelian. »Dieses Pferd ist ein gigantischer Kampf-Roboter!«
»So könnte man es ausdrücken!« sagte Professor Zamorra.
***
»Bleib stehen, Kassandra!« klang eine Stimme auf. Die ungefähr fünfundzwanzig Jahre alte Frau in den zerlumpten Gewändern fuhr herum. Die schönen Gesichtszüge wurden überschattet von steinerner Härte. In den graugrünen Augen glitzerte der Wahnsinn.
Kassandra, die Tochter des Königs Priamos, war Priesterin und hatte die Gabe der Weissagung. Doch selten hörten die Trojaner auf ihre düsteren Sprüche.
»Wer ruft mich!« fragte Kassandra mit leiser Stimme. »Ist es einer der Götter?«
»Alle Götter rufen dich. Alle Götter… und sie sind in mir!« kicherte es aus dem Nichts. »Du kennst mich, Kassandra, denn du hast mir gedient!«
»Dann zeige dich mir!« befahl die Tochter des Priamos. »Ich will dich schauen!«
»Du magst sehen, soviel du sehen darfst, ohne daß der Wahnsinn dein Gemüt völlig umnachtet!« klang die Stimme wieder auf. Dann begann die Luft brausend zu wirbeln. Die menschenähnliche Gestalt wurde von einem graublauen Tuch bedeckt, unter dem sich ekliges Gewürm zu ringeln schien. Die Augen der drei Schädel aus dem Tuch brannten tief in die Seele der Kassandra. In den fleischlosen Händen loderte eine Fackel und ringelte sich eine Schlange, aus deren Zähnen Gift tropfte.
»Hekate!« stieß Kassandra hervor. »Die Herrin des Todes!«
»Du wirst mir dienen!« klang es hart aus
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