... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
1. Kapitel
Sie hasste es . Und wie sie es hasste! Sie konnte es gar nicht oft genug wiederholen. Denn sie meinte es genau so, wie sie es sagte.
SIE HASSTE DIESES LAND!
Sie hatte es bereits für sich abgehakt, noch ehe sie überhaupt einen Fuß darauf gesetzt hatte. Und sie würde ihre Meinung nicht ändern, nur weil ein paar Neo-Kelten versucht waren, sie eines Besseren zu belehren! Die Ohren klingelten ihr jetzt noch, wenn sie bloß daran dachte, wie sie von allen um diese Reise beneidet worden war. Hinz und Kunz hatten ihr gut gemeinte, aber vollkommen überflüssige Ratschläge aufgedrängt. Selbst die Tatsache, dass sich sämtliche Freunde über ihre Gleichgültigkeit das Maul zerfetzt hatten, war ihr schnurz. Sie hätte wirklich jedem Einzelnen von ihnen mit Kusshand ihren Platz überlassen!
A llerdings spukte da etwas in ihrem Hinterkopf, das ihre Aversion gegen dieses trostlose Stückchen Erde am Rande Europas noch weit in den Schatten stellte.
„Susanne?“
Genauso wortlos, wie sie den zweistündigen Flug über sich hatte ergehen lassen – sofort nach dem Start hatte sie sich tot gestellt und nicht mal der schnuckelige Steward, der ihr einen leckeren Imbiss servieren wollte, konnte sie erwecken –, quetschte sie sich in dem schmalen Gang ein Stück weiter zur Seite.
Soll er doch aussteigen! grummelte sie vor sich hin, das Gesicht zerknautscht wie ein alter Schuh. Sie hätte absolut nichts dagegen, nur noch seinen Rücken mit den unheimlich breiten Schultern vor sich zu sehen – und dann niemals mehr im Leben auch bloß ein Zipfelchen von ihm! Sie hatte nie einen Hehl aus ihrer Antipathie gegen den lang aufgeschossenen Mann gemacht, der in just diesem Moment hinter ihr stand und sie sacht in den Rücken stupste.
„Susanne. “
Oh Gott, was gäbe sie dafür, sich wieder in die kuscheligen Polster sinken zu lassen und zurück nach Hause zu fliegen! Selbst ein Trip bis ans Ende der Welt in der Hühnerklasse erschien ihr in diesem Augenblick amüsanter als die ihr ungefragt aufgedrängte Gesellschaft des schwarzhaarigen Riesen. Sie hatte in diesem Land nichts verloren.
Und am allerwenigsten an der Seite von Mat thias Emanuel Clausing, Doktoringenieur und smarter, vor Arroganz und Selbstverliebtheit strotzender Schiffskapitän – und noch viel mehr, wenn sie seinem Seemannsgarn Glauben schenkte. Was sie gewiss nicht tat!
„Suse!“
„Waaas?“, schnappte sie ungehalten und schlug seine Hand weg, ohne sich nach ihm umzudrehen.
Lauter werdendes Murmeln und das Drängeln der anderen Passagiere veranlassten sie endlich, sich in Tai-chi-Geschwindigkeit in Bewegung zu setzen. Er hatte Recht, jetzt und hier machte ihr Schmollen keinen Sinn.
Oooh, selbst-ve r-ständ-lich! Wie konnte sie wagen, seinen Anspruch auf Unfehlbarkeit in Frage zu stellen? Natürlich hatte Matthias Clausing immer Recht!
Dummerweise wusste er das ebenso gut wie sie und bildete sich eine ganze Menge darauf ein.
Ein Grund mehr , ihn bis ans Lebensende zu hassen!
Mit hoch erhobener Nase und gelangweilter Miene schlenderte sie an der Stewardess vorbei zum Ausgang. Unauffällig dirigierte der Mann die blonde Schönheit durch den Gateway , immer darauf bedacht, ihr nicht zu nahe zu kommen. Beinahe sah es aus, als hätte er Angst, sie könnte ihm vor versammelter Mannschaft eine Szene machen. In der Tat war er selbst jetzt noch darauf gefasst, dass sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren würde, auf diese Insel verschleppt zu werden.
Und das aus gutem Grund!
„Es wird dir gefallen, Wireless “, raunte er ihr mit einem Hauch des alten, romantischen Irlands in seiner seidig weichen Stimme zu und hoffte, Susanne würde nicht merken, wie er mit diesen Worten vor allem sich selber Mut zuzusprechen versuchte. „Denk einfach daran, dass du in eine pikobello renovierte und saubere Wohnung kommst, wenn du zurück bist, mmmh?“
Sie fuhr herum und warf ihm einen hitzigen Blick zu. Einen empfindsameren Mann als ihn hätte sie damit zweifellos gegrillt. Verächtlich stieß sie die Luft aus. Ungehobelte Kreatur! Aufgeblasener Gockel, träum weiter!
Er hatte längst am Sinn dieser Reise zu zweifeln begonnen und hielt es inzwischen für ausgeschlossen, Susanne könnte irgendwann seine Begeisterung für dieses Land teilen. Sie war einfach unberechenbar. Und jetzt hatte sie sich offenbar in den Kopf gesetzt, ihm als Dank für seine Einladung die Hölle heiß zu machen. Vermutlich hoffte sie, er würde sich wünschen, ihr nie
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