0293 - Im Netz des Vampirs
Erschütterungen durch die Kristallmasse.
»Er zerstört das Netz«, rief Teri. »Und die abrupt entstehenden Hohlräume kreuz und quer über die Planetenoberfläche setzen den dünnen Mantel, der den glutflüssigen Weltenkern umgibt, unerträglichen Belastungen aus! Über kurz oder lang wird die Schale brechen und diese Welt…«
Sterben, lag ihr auf der Zunge.
Aber Zamorra hatte auch so verstanden.
»Zurück«, entschied er. »Zu den anderen.«
Seinem Tonfall war nicht zu entnehmen, wie er sich fühlte. Eine Welt starb. Wegen ihm! Weil ein Dämon alle Brücken hinter sich abbrechen und ganz sichergehen wollte, daß er seinen ärgsten Feind doch noch vernichten konnte…
Narr! schrie irgend etwas in seinem Bewußtsein.
Im nächsten Moment sprangen sie.
Und dann griff das Amulett ins Geschehen ein.
Zum dritten Mal.
***
Merlins Stern löste sich aus Zamorras Hand und schoß in den Morgenhimmel hoch. Schoß hinaus aus der dünnen Luftschicht ins sternenlose Vakuum einer fremden, unbegreiflichen Dimension.
Atemlos starrten ihm fünf Augenpaare hinterher.
Keiner wagte zu fragen, ob damit ein Hoffnungsschimmer für die sterbende Welt verbunden war oder ob sie das Amulett endgültig entschwinden sahen.
Doch dann beantworteten sich die stummen Zweifel selbst.
Tausendsonnenhell grellte es um sie herum auf - für den millionsten Teil einer Sekunde und ohne sie erblinden zu lassen.
Im gleichen Atemzug erstarben die Beben. Das Grollen aus den Tiefen der Erde setzte aus. Ruhe kehrte so unvermittelt ein, daß ein fast taubes Gefühl bei ihnen zurückblieb.
Und dann fiel das Amulett direkt vor Zamorras Füße.
Stumpf, tot, verausgabt.
»Dreimal«, hauchte Teri fast unhörbar in die Stille. »Jetzt erinnere ich mich wieder an Merlins Worte…« Ihr war, als habe sich ein letzter Vorhang vor ihrem Gedächtnis gehoben. »Dreimal hat er gesagt. Dreimal hilft der Talisman dem Stern… Danach ist seine Wirkung in bezüg auf das Amulett verbraucht…«
Die anderen schwiegen betroffen.
Skeptisch bückte sich Zamorra und hob die Silberscheibe auf.
»Nun denn«, knurrte er schließlich. »Fangen wir wieder von vorne an.«
Fast hatte er sich schon an die Unzuverlässigkeit des Amuletts gewöhnt.
Viel schlimmer war, dachte er, daß ein Mensch das Abenteuer nicht überlebt hatte. Muriel Ferrier würde wohl ewig daran denken, unter welchen Umständen sie ihren Vater verloren hatte…
Zamorra seufzte.
Aber dann fiel sein Blick auf Nicole, und er fühlte sich seltsam berührt. Langsam ging er auf sie zu, das Bild ihres toten Körpers vor Augen.
Das war etwas, das er nie vergessen würde.
Sie ruhten ein paar Stunden aus, um Teri Gelegenheit zu geben, sich von den Strapazen so weit zu erholen, daß sie an eine Rückkehr denken konnten. Irgendwann fiel Zamorra auf, daß das »Wurzelmännchen« wieder an der dünnen Halskette hing, die ihm die Druidin gegeben hatte. Er gab den Talisman an Teri zurück.
Damit war die letzte Schwierigkeit gelöst.
Mit Hilfe dieses »Kompasses« war der zeitlose Sprung zurück zur Erde kein Problem mehr.
Sanguinus hatte sich wieder einmal erfolgreich abgesetzt, ehe sie ihn für seine Untaten zur Verantwortung zie--hen konnten. Wahrscheinlich war der Kristallturm auf der anderen Seite der Welt inzwischen auch dem Beben und der Vernichtung des Netzes zum Opfer gefallen - Sanguinus’ wahrer Palast, von dem aus er die Fäden gezogen hatte, während der Bergkegel offensichtlich neben den Opferungszeremonien auch dem Zweck der Feindtäuschung gedient hatte…
Und Teris Berichten zufolge war der Dämon bei der Sicherung seiner echten Basis besonders geschickt vorgegangen. Statt Terrormittel einzusetzen, um Eingeborene und eventuelle Feinde aus einer anderen Welt fernzuhalten, hatte er sich die Eingeborenen am See zu Freunden gemacht und sie mit Geschenken bei Laune gehalten!
Zamorra schüttelte immer wieder den Kopf, während er Teri zuhörte. Aber irgendwie paßte auch dies genau in das Gesamtbild des Dämons, der sich einfach nicht in ein oberflächliches Schwarz-Weiß-Schema pressen ließ. Zwischen Gut und Böse gab es Nuancen - und Sanguinus beherrschte alle Schattierungen, wenn es darum ging, einen Nutzen daraus zu ziehen.
»Wir sehen uns wieder«, murmelte Zamorra ohne Bitterkeit. »Irgendwann…«
Eine Welt war befreit von dem Dämon.
Und die Erde?
Die Zukunft würde es zeigen.
Groß und rot stand die fremde Sonne im Zenit, als vier Menschen und eine Druidin den Heimweg durch die
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