03 - Schatten Krieger
Gottheit uns ein zweites Geschenk gewährt, ja?«
Tauric lächelte traurig. »Wenngleich es mehr ein Opfer ist als ein Geschenk, Calabos«, erwiderte er. »An diesem Ort hier umschlingen sich die Schicksale, und in beiden Richtungen lauert der Untergang …« Seine Worte gingen unter, als ein donnerndes Wutgeschrei die Kaverne erschütterte. Alle schauten zu der von Schatten umhüllten Gestalt, und Ondene durchzuckte Panik, als er sah, dass eines seiner Gesichter auf den Phantomen sich in eine dunklere, brutalere Fratze verwandelt hatte.
Die Zeit geht zur Neige,
sangen die anderen, als sie sich auf den Usurpator stürzten.
Calabos hielt sich an Ondenes Arm fest und versuchte, sich hochzuziehen. Ondene half ihm und stützte ihn an der Taille.
»Was müssen wir tun?«, fragte der Magier-Poet.
»Kapituliert«, knurrte der General der Dämmerung, der ausgestreckt am Boden lag. »Entblößt eure Kehlen und akzeptiert das Messer…!«
»Exil«, erklärte Tauric. »Der Große Schatten kann nicht vernichtet werden, also müssen er und der Brunn-Quell verbannt werden. Die vereinten Kräfte des Brunn-Quell stehen mir offen, und zusammen mit den Fähigkeiten der Phantome können wir vielleicht diese Kaverne in ein Gefängnis verwandeln.«
»Wird das genügen?«, erkundigte sich Ondene.
»Leider nicht«, erwiderte Tauric. »Sobald es versiegelt ist, muss das Gefängnis allmählich vom Nachtreich losgelöst werden, bevor seine Bande mit der Leere verletzt werden. Dann muss es noch tiefer hinab gestoßen werden, in das Nichts unter der Leere!« Er lächelte traurig. »Aber weder ich noch die Phantome sind in der Lage, den Brunn-Quell zu beherrschen und ihn ohne einen lebenden Wirt zu führen. Nur die lebendige Essenz kann mich in die Lage versetzen, die Bande des Großen Schatten zum Brunn-Quell zu überwinden. Der General der Dämmerung ist gänzlich seine Kreatur und von daher unwiderruflich verdorben …«
»Also muss es einer von uns sein« sagte Calabos. »Dann mache ich es.«
Ondene sah ihn scharf an, musterte sein bleiches Gesicht und sah die Erschöpfung, die so klar auf seinen gefurchten Zügen geschrieben stand. Plötzlich bemerkte er, dass der fahle Tauric ihn ebenfalls anstarrte. Dann wechselten Tauric und er einen Blick, und Ondene begriff plötzlich alles glasklar.
»Es tut mir Leid, Calabos«, sagte er. »Aber ich muss das tun.«
Der ältere Mann wich vor ihm zurück und zwang sich mit sichtlicher Willensanstrengung, ohne Hilfe zu stehen. »Nein, Corlek, Ihr besitzt weder genug Wissen über diese Macht, noch habt Ihr die Fähigkeiten, damit umzugehen, ganz zu schweigen von Eurer mangelnden Erfahrung …«
»Die Wahrheit ist, dass Ihr am Ende Eurer Kräfte seid«, widersprach Ondene. »Ihr habt viel gegeben, um so weit zu kommen, und Ihr habt Euch beinahe vollkommen verausgabt, um diese unerträgliche Last hierher zu bringen. Ihr müsst mich diese Aufgabe beenden lassen. Immerhin hat mich die Schlummernde Gottheit zum Prinzen des Wandels erklärt.«
Ein weiterer, gutturaler Wutschrei dröhnte durch die Kaverne, der zwar gedämpft wurde, aber nicht vollkommen zum Verstummen gebracht werden konnte.
»Wir haben keine Zeit mehr, Corlek«, erklärte Tauric. »Bist du bereit?«
»Ja. Aber Calabos muss vorher in Sicherheit gebracht werden.«
»So sei es.«
»Verdammt, nein …!«
Ondene ignorierte Calabos' Ärger, während Tauric auf ihn zuschwebte. Einen Moment lang wurde er von Nebel eingehüllt, und dann durchdrang die Wesenheit seine Gedanken und seine Sinne aufs Neue. Beinahe unbewusst zog er Kraft aus dem reißenden Strom des Brunn-Quell, hob Calabos hoch, als wäre er ein Kind, und stieg durch den Schacht in die Kammer der Ketten des Weißen Gefängnisses. Dort warteten Dutzende ehemalige Gefangene, die ihre Augen vor dem strahlenden Ondene-Tauric schützten, als er heraustrat und Calabos behutsam auf dem Boden der Kammer ablegte.
Der Magier stützte sich auf einen zitternden Arm. »Wie ich sehe, habt Ihr Euch entschieden …« Er schloss einen Moment die Augen und öffnete sie dann wieder. »Also … Ich habe den Phantomen befohlen, Euch zu gehorchen wie zuvor mir.«
»Danke, Calabos«, erwiderte Ondene-Tauric. »Sagt allen Wächtern und der Dämonenbrut Lebwohl von mir.« »Das werde ich tun. Und jetzt geht und tut, was getan werden muss.«
Ondene-Tauric wandte sich an einen der Zuschauer. »In dieser Kammer wird es sehr bald für euch alle sehr gefährlich. Ihr müsst rasch gehen und meinen
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