0325 - Das Zeitexperiment der Verbannten
hatte. Der Qualm war jetzt so dicht, daß sein optischer Gesichtssinn völlig versagte. Da seine Augen ultrarotempfindlich waren, erkannte er jedoch die helleuchtenden Flecke der Geräte, die bei der Zerstörung in Brand geraten waren.
Zwischen zwei Qualmschwaden hatte er für den Bruchteil einer Sekunde klare Sicht und erkannte, daß er sich in der Nähe der Stelle befand, an der Fancan Teik unter dem Schmerz des Schocktreffers zu Boden gegangen war. Er rannte weiter und sah in der Dunkelheit vor sich ein rotes Licht aufleuchten. Er hielt darauf zu und beschleunigte dabei seinen Lauf, denn er zweifelte nicht mehr daran, daß Teik sich in ernster Gefahr befand.
Die Geschwindigkeit wäre um ein Haar sein Verderben geworden. Er hatte die Entfernung zu der roten Lichtquelle verschätzt. Als der Qualm ringsum sich für eine Zehntelsekunde lichtete, erkannte er, daß er sich unmittelbar vor dem leuchtenden Gebilde befand und geradewegs darauf zuhielt.
Es war sein Ordinärgehirn, das im selben Augenblick instinktiv reagierte und den Muskeln den Befehl gab, den mächtigen Körper zur Seite zu schnellen. Icho Tolot stürzte, landete in einem Trümmerhaufen und richtete sich wieder auf. Mißtrauisch und vorsichtig näherte er sich erneut der roten Lichterscheinung und studierte sie aus der Nähe. Die feindlichen Waffen schienen ausgeschaltet. Es drohte keine unmittelbare Gefahr mehr.
Die Quelle des roten Leuchtens war nicht materiell. Die Erscheinung hing mitten in der Luft. Sie war etwa vier Meter hoch und von unregelmäßiger Form. Die beiden Enden liefen spitz zu, aber näher zur Mitte hin spaltete sich das Leuchten und bildete zwei voneinander getrennte Bahnen, die in unregelmäßigen Krümmungen annähernd parallel zueinander verliefen, um sich nahe dem anderen Ende wieder zu vereinen. Der Zwischenraum betrug an der breitesten Stelle nahezu drei Meter. Man konnte das Gebilde mit dem Lippenpaar eines menschlichen Mundes vergleichen, wenn man wie Icho Tolot eine Vorstellungskraft von ausreichender Beweglichkeit besaß. Der Mund erschien wie zum Schrei geöffnet, und einer der beiden Mundwinkel befand sich dicht über dem Boden, daß er ihn zu berühren schien.
Icho Tolots Planhirn arbeitete fieberhaft. Die Erscheinung selbst war dem Haluter nicht unvertraut. Es handelte sich um die optische Streustrahlung eines Paratronfelds, wie sie regelmäßig bei Inbetriebnahme eines Paratrons für wenige Augenblicke beobachtet wurde. Sie verschwand, nachdem das Feld sich stabilisiert hatte, und ein Paratronfeld brauchte, um sich zu stabilisieren, nicht mehr als ein paar Hundertstelsekunden. Außerdem war es gewöhnlich von regelmäßiger Form, und das rote Leuchten pflegte die Konturen dieser Form exakt nachzuzeichnen.
Das Feld war ihm also in doppelter Hinsicht anomal. Es war von unregelmäßiger Form, und es befand sich offensichtlich immer noch im Anlaufstadium, da das rote Leuchten weiterhin unvermindert anhielt.
Noch etwas anderes stand außer Zweifel: Fancan Teik war durch die Feldöffnung gestürzt. Ob aus unbedachtem Eifer, oder weil eine fremde Gewalt ihn dazu zwang, war im Augenblick unerheblich. Er befand sich auf jeden Fall in einem Kontinuum, aus dem er aus eigener Kraft nicht zurückkehren konnte.
Der Haluter brauchte nicht mehr als zwei Sekunden, um eine Entscheidung zu treffen. Er mußte Teik zu Hilfe kommen. Das fremde Raum-Zeit-Gefüge, in das er durch die Öffnung des Paratronfeldes geraten war, bedeutete an sich keine unmittelbare Gefahr, aber es mochten sich Dinge und Wesen darin aufhalten, denen Fancan Teik ohne Unterstützung nicht gewachsen war.
Außerdem bestand die Möglichkeit daß er versetzt worden war, bevor er in den Einfluß des Feldes geriet.
Logisch und zielbewußt, mit Unterstützung seines Planhirns die aufsteigende Erregung abdämmend, tat Icho Tolot, was für diesen Fall vorgesehen war. Er betätigte den Signalgeber, dessen Impulse von einem geeigneten Empfänger noch in Hunderten von Lichtjahren Entfernung ausgemacht werden konnten. Es handelte sich nicht um ein einwandfrei moduliertes Signal, aber der Mann, in dessen Händen der Empfänger sich befand, würde sich ausrechnen können, was die Sendung zu bedeuten hatte.
Schließlich zog der Haluter eine kleine Bandkapsel aus der Tasche. Sie war terranischer Herkunft und ihm von Freunden als Geschenk überreicht worden. So groß wie ein Feuerzeug, besaß sie dennoch eine Speicherfähigkeit von mehreren Stunden normaler Sprache.
Icho
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