Shopping and the City
Prolog
Imogene stellt sich vor
E ins muss man über die Mädchen von Greenwich wissen, nämlich, dass sie total zurückgeblieben sind. Im Ernst, es ist wohl die einzige Stadt der Welt, wo Mädchen tatsächlich im Winter in ihren seidenblumenverzierten Dior-Sandaletten zur Schule kommen (Winterstiefel sind sooooo spießig) und im Sommer im Pelzmantel. Versteht mich nicht falsch, würde mir das megatolle Nerzschultercape von J. Mendel gehören, das Tinsley Vogelzang gestern in der Schule anhatte, dann würde ich es auch im Juni tragen. (Die Dienste eines Vollzeitchauffeurs nebst Rund-um-die-Uhr-Klimaanlage zu genießen, hilft natürlich auch.)
Die andere Sache, die man über Greenwich-Mädchen wissen muss, ist, dass sie super spirituell sind. Meine Schule, die Greenwich Country Academy, ist höheres Bewusstsein hoch eine Zillion. Auch wenn ihr euch keine
Vorstellung macht, wie viel wirtschaftliche Energie es kostet, heutzutage eine Aura für sich zu erschaffen. Ein einziger Fehltritt kann schon der Todesstoß sein. Ganz ehrlich, ihr mögt es vielleicht nicht glauben (und bitte erzählt es niemandem weiter), aber ein Mädchen wie ich hat es nicht leicht. Von einem Mädchen wie mir wird selbstverständlich erwartet, dass sie eine Trendsetterin ist. Wenn ich nicht das Schickste und Tollste trage, bin ich nicht die Schickste und Tollste – ich bin unsichtbar: ein formloses Nichts von einem Planeten irgendwo anders im Universum – jedenfalls nicht von jenem, den ihr und ich bewohnen. In letzter Zeit ist es besonders anstrengend geworden, mit der Modesaison Schritt zu halten, von vieren ganz zu schweigen! Wir wissen schließlich alle, wie unendlich wichtig der Ruf ist, und da ich offenkundig auf jedermanns Sehen-undgesehen-werden-mit-Liste stehe (dank der Tatsache, dass ich die beliebte »In & Out«-Kolumne für meine Schulzeitung schreibe), ist es meine heilige Pflicht, den meinen zu wahren. Meinen Ruf, will ich damit sagen. Die Leute schauen schließlich zu mir auf. Was würden sie sagen, wenn ich (Gott bewahre) in einer L.L.Bean-Gore-Tex-Weste über einem karierten Schulkleid zum Geschichtsunterricht kommen würde – mit einer Marni-Tasche aus der Kollektion der vorigen Saison? (Gott behüte!) He, für Kelly Wintrop ist das kein Problem – sie ist Kapitän der Lacrosse-Mannschaft. Aber für mich? Oh, ich erschaudere schon bei dem bloßen Gedanken daran.
Aber wer bin ich wirklich? Na ja, in letzter Zeit stelle
ich mir diese Frage selbst recht oft. Einige Leute sagen, rein äußerlich würde ich sie an die junge Jackie Onassis erinnern. Nicht dass ich darauf höre, was die Leute sagen, versteht sich. Aber dieselben Leute, auf die ich nicht höre, sagen auch, ich besäße ein gewisses je ne sais quoi , was – für alle, die kein Französisch können – bedeutet, dass ich einfach fabelhaft bin!
Ich selbst sehe mich als eine Suchende. Soll heißen, ich weiß, dass es im Leben Wichtigeres gibt als materielle Dinge. Leider beschränkt sich meine metaphysische Suche in letzter Zeit strikt auf das Einkaufen. (Ich schätze, mehr als dreimal Umziehen pro Tag ist nicht gerade ein Zeichen inneren Friedens, stimmt’s?) Doch während ich eifrig damit beschäftigt war, meinem Ruf als Trendsetter gerecht zu werden, habe ich mich wohl ein klitzekleines bisschen hinreißen lassen. Ich meine, wenn es ein einzelnes Wort gibt, das mich beschreibt, dann ist das BESESSEN.
Wie jede Obsession fing mein Modefimmel ganz harmlos an – ein bisschen Juicy Couture hier, ein bisschen Miu Miu da, und natürlich gelegentlich ein Accessoire. Aber damit hörte es nicht auf. Als Nächstes kamen die vierzehntägigen Mani- und Pediküren, die CHI-Haarglättungen, die regelmäßigen Tiefenbehandlungen für das Gesicht, die Spray-Tannings und selbstverständlich jeden Samstagvormittag mein Pilates-für-Teenager-Kurs (unschlagbar für straffe Bauchmuskeln). Und na ja, wie hätte ich Toy – meinem allerliebsten neuen Bully-Welpen – das kleine Burberry-Karomäntelchen verwehren können? Ich meine, es ist einfach zu
niedlich. Außerdem würde er sich sonst verkühlen, wenn er den ganzen Tag hinten auf meinem Motorroller mitfährt.
Wie schon gesagt, ich habe mich da vielleicht ein bisschen hinreißen lassen. Aber die Schuld liegt nicht allein bei mir. In Wahrheit ist es so, dass bei mir Kaufen, Geldausgeben,
Verprassen, Schwelgen, Verplempern und Verschwenden genetisch veranlagt sind, denn wie die meisten meiner Schulkameradinnen auf der GCA
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