0360 - Mörder-Magie
stehen, war nicht ihr Fall. Vom Wagen aus konnte sie ja noch besser sehen, ob Babs irgendwo auftauchte. Zamorra machte derweil einen Fernsprecher ausfindig.
Er blätterte nach, fand die »zivile« Rufnummer von Scotland Yard und wollte sich mit dem Büro verbinden lassen, in dem Babs arbeitete. Aber schon in der Telefonzentrale wurde ihm erklärt, daß der Inspektor, dessen Sekretärin Babs nach Kerrs Tod geworden war, längst nicht mehr im Hause sei. Das Büro sei unbesetzt.
»Versuchen Sie es trotzdem«, bat Zamorra. »Vielleicht ist Miß Crawford noch da.«
War sie aber nicht. Rückfragen beim Pförtner ergaben, daß sie sogar eine Stunde früher Feierabend gemacht hatte. Weil sie Besuch bekäme, hatte sie angegeben.
»Na, das ist ja’n Ding«, sagte Zamorra. »Zu Hause ist sie nämlich nicht.«
»Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht weiterhelfen kann, Sir«, flötete die Telefonistin im Yard und hängte ein.
Mißgestimmt kehrte Zamorra in die Straße zurück, in der der Jaguar stand. Nicole kam ihm ein paar Schritte entgegen.
»Und?«
»Sie hat früher Feierabend gemacht.«
»Aber, verflixt, dann muß sie doch zu Hause sein.« Nicole schüttelte den Kopf. »Chérie, ich habe einen ganz dummen Verdacht.«
Zamorra nickte unbehaglich.
»Wir warten eine Stunde«, sagte er. »Dann fragen wir den Hausmeister, ob er einen Zweitschlüssel hat.«
»Einen Hausmeister gibt es hier nicht«, sagte Nicole. »Und ich weiß nicht, ob wir die Tür so einfach öffnen können.«
»Vielleicht kommt sie ja doch noch«, hoffte Zamorra wenig überzeugt.
***
Sie kam auch nach eineinhalb Stunden nicht. Zamorra versuchte proforma noch, sie in ihrer Wohnung anzutelefonieren, aber niemand ging an den Apparat.
In die Wohnung einzubrechen, wagte er nicht. Das konnte Ärger mit den Nachbarn und damit auch mit der Polizei geben.
Anders wäre es gewesen, hätte er seinen Sonderausweis bei sich gehabt, der ihm vor Jahren einmal vom britischen Innenminister zur Verfügung gestellt worden war und der ihm im britischen Commonwealth Polizeivollmachten gestattete. Aber der Ausweis lag entweder irgendwo im Château Montagne oder im Beaminster-Cottage; so genau wußte Zamorra es selbst nicht. Es war eine Ewigkeit her, daß er diesen Ausweis zuletzt in der Hand gehalten hatte, und zwei Ewigkeiten, seit er ihn benutzte. Er hielt nicht viel davon, derlei amtliche Befugnisse für jede Kleinigkeit auszunutzen. Man gewöhnte sich zu schnell daran, und dann war es bis zum Mißbrauch nicht mehr weit… also zog er es vor, normalerweise mit zivilen Mitteln vorzugehen. Diesmal allerdings wünschte er sich die juristische Rückendeckung dieses Kunststoffkärtchens. Daß Babs selbst ihm Vertrauen entgegenbringen würde, wenn er in ihre Wohnung eindrang, wußte er.
Aber für alle anderen wäre es Hausfriedensbruch, oder schlimmer noch, Einbruch. Und das wollte er nicht riskieren.
Statt dessen rief er bei der Polizei an, ob es einen Unfall gegeben hätte, in den eine Babs Crawford verwickelt worden sei. Wenn ja, mußte sie sich ja in irgend einem Krankenhaus in der Nähe befinden.
Fehlanzeige.
Zamorra begann, den Grund seiner Nachfrage zu erklären. Daß seine Bekannte, die den Besuch aus dem Ausland so dringend erwartete, scheinbar spurlos verschwunden sei. Am anderen Ende der Leitung wurde plötzlich jemand im Polizeirevier wach. »Welche Straße, sagten Sie, Sir?«
Zamorra nannte sie.
»Aus dieser Straße ist uns eine Entführung gemeldet worden. Das liegt jetzt ungefähr zweieinhalb Stunden zurück. Aber bisher wußten wir weder, wer entführt worden war, noch… bitte, Sir, können Sie unverzüglich zu uns kommen? So etwas beredet man nicht am Telefon. Ich sorge dafür, daß der zuständige Offizier für Sie zu sprechen ist.«
»Ich komme«, sagte Zamorra rauh.
Er glaubte einen Schlag mit dem Hammer erhalten zu haben.
Wer konnte einen Grund haben, Babs zu entführen? Sie war nicht vermögend, sie war nicht einflußreich.
Das einzige, was in Frage kam, war ihre Freundschaft zu Zamorra.
Die Entführung roch nach einer gezielten Aktion, wahrscheinlich nach einer Falle.
***
»Fallen Entführungen nicht eigentlich in den Zuständigkeitsbereich von Scotland Yard?« fragte Nicole, nachdem sie es sich in einem kleinen Büro relativ bequem gemacht hatten. Der junge Polizeioffizier nickte.
»Normalerweise schon«, sagte er. »Aber vorläufig hat man uns den Fall nicht ganz abgenommen. Zumindest haben wir noch die Finger drin. Denn daß die
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