0360 - Mörder-Magie
Constable MacFerry fuhr herum, als er die schnellen Schritte hörte. Ein junges Mädchen, kaum älter als Siebzehn, rannte auf ihn zu. »Da… da drüben! Eine Entführung!«
MacFerry runzelte die Brauen. »Bitte, Miß?«
»Da war eine Entführung«, sprudelte das Mädchen hervor. »Ich hab’s genau gesehen. Eine Frau wurde in einen grauen Bentley gezerrt und betäubt. Wie im Film, mit so einem Wattebausch. Da waren Männer in dunklen Anzügen…«
MacFerry sah das Mädchen stirnrunzelnd an. »Ein Bentley, ja? Sind Sie da ganz sicher, Miß? Ich meine, das ist doch wohl ein etwas ungewöhnliches Fahrzeug für eine Entführung. Zu auffällig…«
»Vielleicht ist der Wagen gestohlen. Bitte, schnell, Sir! Sie müssen etwas tun! Ich habe mir das Kennzeichen des Wagens gemerkt!«
Das Mädchen sprach überraschend ernsthaft und drängend. Der Verdacht des Constablers, auf den Arm genommen zu werden, verringerte sich. Er griff zu seinem Walkie-talkie. In früheren Zeiten hatten die Bobbies Trillerpfeifen besessen, mit denen sie Kollegen herbeirufen konnten. Das war lange vorbei. Die Pfeifen waren durch Funkgeräte ersetzt worden. Aber noch zögerte der Streifenpolizist.
»Wo genau ist das passiert? Wie sah die Frau aus, wie die Entführer?«
Das Mädchen lieferte eine undeutliche Beschreibung. Damit war viel und wenig anzufangen. Das Wichtigste war das Kennzeichen des Bentley - sofern es nicht gefälscht war. Der Bobby schaltete das Gerät ein und funkte sein Revier an. Er berichtete von der Entführung.
»Ich glaube, sie haben mich gar nicht gesehen. Sie fühlten sich unbeobachtet«, redete das Mädchen weiter.
»Wir sehen uns die Stelle mal an«, sagte MacFerry. »Vom Revier kommen zwei Radio-Cars. Die Fahndung nach dem Bentley wird soeben eingeleitet. Zeigen Sie mir jetzt, wo die Entführung stattgefunden hat?«
Dort gab es natürlich nichts mehr zu sehen. Als die beiden Funkwagen eintrafen, schwärmten die Beamten aus, um Spuren zu sichern und Nachbarn zu befragen, die unter Umständen hinter den Fenstern ihrer Häuser gestanden und das Geschehen beobachtet hatten. Aber niemandem war etwas aufgefallen.
»Wenn das falscher Alarm war, Miß…«, murmelte ein junger Polizeibeamter, »dann werden Sie was erleben! Wenn nicht, dann hoffe ich, daß die Kollegen den Bentley kriegen…«
Und niemand wußte, wer entführt worden war und warum!
***
Im Hotel »Imperial« in Bombay hatte Professor Zamorra ein Telegramm zugestellt bekommen.
Wenn Du wieder im Beaminster-Cottage wohnen möchtest, kannst Du in drei Tagen einziehen. Ted.
In Bombay hatten Zamorra und Nicole nichts mehr zu tun. Mansur Panshurab, der neue Herr des Kobra-Kultes, war spurlos in den Wäldern verschwunden und nicht mehr aufzufinden. Zamorras Gastvorlesung an der Universität war erfolgreich verlaufen, und der EWIGE Gamma, der Nicole beim Ausheben des Schlangen-Tempels geholfen hatte, war wieder abgereist.
Also gab es außer dem subtropischen Klima nichts mehr, was sie zum Verweilen veranlassen konnte. Zudem gehörte das »Imperial« nicht gerade zu den billigsten Absteigen. Und mit dem Geldausgeben waren Zamorra und Nicole in den letzten Monaten etwas zurückhaltender geworden. Der Überfall und die Teilzerstörung des Château Montagne im Loire-Tal hatte ihnen gezeigt, wie schnell sich alles verändern konnte, und dann war es gut, größere Reserven zu besitzen. Zumindest finanziell.
Das Beaminster-Cottage war ein Herrenhaus in der englischen Grafschaft Dorset und gehörte ebenfalls Professor Zamorra. Er hatte es vor Monaten gekauft, nachdem er schon geraume Zeit Nutzungsrechte besessen hatte. Kaufen wollen hatte er es schon vor Jahren, aber damals war ihm Stephan Möbius, der Seniorchef des weltweiten Möbius-Industriekonzerns, zuvorgekommen, mit dem ihn eine lange Freunschaft verband. Jetzt waren sie handelseinig geworden, und Besitz und Nutzungsrechte wurden gegeneinander ausgetauscht. Aber Zamorra hatte nicht lange Freude an seinem Besitz gehabt. Nachdem er einige Zeit den damals vorübergehend gelähmten Ted Ewigk hier einquartieren konnte, war das Cottage von der radikalen Gruppierung der DYNASTIE DER EWIGEN überfallen und in Besitz genommen worden. Damit war dieser radikalen Gruppe auch die im Cottage stationierte Supertechnik in die Hände gefallen, und bisher war es nicht gelungen, sie dort wieder zu vertreiben. Die DYNASTIE DER EWIGEN verfügte über gewaltige Machtmittel, die nicht so einfach niederzukämpfen oder auszutricksen
Weitere Kostenlose Bücher