0374 - Der Vogeldämon
Trancezustand zu versetzen.
Zamorra lächelte. Er hatte andere Methoden.
Er konzentrierte sich auf Linda, stimmte sich auf sie und ihre Gedankenwelt ein. Er konnte ihre Gedanken zwar nicht klar erfassen, aber er spürte mit seinen schwach ausgeprägten Para-Kräften, wie sie tatsächlich versuchte, mitzuarbeiten und alles zu verdrängen. Langam lockerten sich ihre verspannten Muskeln. Zamorra wartete einen günstigen Augenblick ab. Dann gab er dem Amulett einen gedanklichen Befehl. Gleichzeitig berührte er mit der rechten Hand, mit gespreiztem Daumen und Zeigefinger, die Schläfen der Fotografin, strich dann über ihr Gesicht. Aus dem Amulett floß ein kräftiger Strom und ging auf Linda über. Innerhalb weniger Augenblicke befand sie sich in dem Zustand, in dem Zamorra sie haben wollte.
Er lächelte.
Sandy hatte noch gar nicht mitbekommen, daß Linda bereits in Trance war. Sie staunte nur, als Zamorra leise seine Fragen zu stellen begann.
»Du schläfst. Du träumst in diesem Zimmer«, sagte er. »Es war ein anstrengender Tag. Du bist müde und träumst.« Er schilderte die Situation so, wie sie ihm vorher erzählt worden war, versuchte, in Linda den Eindruck des vorgestrigen Abends wieder zu wecken. Und es gelang ihm. »Wovon träumst du?«
Linda öffnete den Mund. Sie murmelte fast lautlos vor sich hin. Zamorra mußte sich anstrengen, sie zu verstehen.
Er kannte die Sprache nicht, die Linda benutzte. Dabei konnte er von sich behaupten, ein Sprachtalent zu sein. Es gehörte mit zu seinen besonderen Fähigkeiten, daß er sich dank seiner schwachen Para-Kräfte mit jeder Sprache rasch anfreundete und sie zumindest zu deuten wußte, wenn er sich auch nicht unbedingt in jedem Dialekt unterhalten konnte. Es reichte für lockere Verständigungen.
Aber diese Sprache kannte er nicht. Er war ihr bisher noch nicht begegnet.
Auch Sandy lauschte überrascht.
»Was tust du jetzt?« fragte Zamorra unbeeindruckt. Er wollte erst noch abwarten, bevor er versuchte, tiefer einzudringen in das, was Linda Crays Unterbewußtsein überlagerte.
Linda verstummte. Aber statt dessen erhob sie sich und ging langsam zum Fenster hinüber, öffnete es und machte Anstalten, sich auf die Fensterbank zu knien.
»Genauso hat es ausgesehen, als sie sprang«, flüsterte Sandy.
»Noch einmal zurück«, befahl Zamorra. »Es ist einige Minuten vorher. Du schläfst und träumst.«
In der Tat kehrte Linda zum Bett zurück und streckte sich darauf aus. Wieder begann sie in der unbekannten Sprache zu murmeln.
Zamorra schürzte die Lippen. Das, was von irgendwoher Linda beeinflußte und sie in einer anderen Sprache träumen ließ, hatte sie auch gezwungen, sich wie ein Vogel zu fühlen und aus dem Fenster zu fliegen! Aber was war das für eine Macht? Woher kam sie? Und warum griff sie ausgerechnet nach Linda?
Und nach Vivy Ruyters? Und nach Nadine Lafitte oder dem Barkeeper Sammy? Wonach wählte die fremde Macht ihre Opfer aus?
Zamorra legte das Amulett auf Lindas Stirn. Mit zwei Fingern verschob er einige der Hieroglyphen. Im gleichen Moment begann das Amulett Lindas Worte zu übersetzen. »Ich bin müde, und dennoch wache ich auf. Ich sehe einen großen, wunderschönen Vogel. Ich muß zu ihm, ich muß an seiner Seite unter dem Himmel fliegen…«
»Wer ist der Vogel?« fragte Zamorra. »Woher kommt er, Linda?«
Die Fotografin wurde unruhig. Sie warf den Kopf auf den Kissen hin und her. »Er ist wunderbar… er fliegt so leicht, so leicht… ich gehöre zu ihm! Ich bin er, und er ist ich… ich muß zu ihm…«
Sie wollte sich wieder erheben, um zum Fenster zu gehen.
Aus weit aufgerissenen Augen verfolgte Sandy das eigenartige Geschehen.
»Du bleibst liegen«, befahl Zamorra. »Du widersetzt dich dem Wunsch zu fliegen! Wer ist der Vogel? Woher kommt er? Wer hat ihn geschickt?«
Auf Lindas Stirn erschienen Schweißperlen. Die hypnotisch geweckte Erinnerung kämpfte gegen die Anweisung. Sie bemühte sich, die Fragen zu beantworten. Aber sie konnte es nicht. Das Wissen fehlte ihr. Sie hatte nur den Wunsch, zu fliegen. Einen Wunsch, der nicht in ihr selbst entstanden war, sondern den jemand ihr einimpfte.
Kurz dachte Zamorra an Besessenheit. Aber Linda war nicht besessen. Dann hätte das Unheimliche in ihr selbst gesteckt, aber es kam eindeutig von außen, um sich in ihr breit zu machen. Und sie war ja schließlich auch nicht die ganze Zeit über unter dem unheimlichen Einfluß. Bei Tage wirkte sie doch völlig normal…
Es war etwas
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