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0374 - Der Vogeldämon

0374 - Der Vogeldämon

Titel: 0374 - Der Vogeldämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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liege. Es gibt in dieser Sprache Wörter, die sich nicht eindeutig übersetzen lassen, weil sie unterschiedliche Bedeutungen haben können, je nach dem Zusammenhang, in welchem sie stehen. Sie haben nicht zufällig noch mehr aufschnappen können?«
    Zamorra schüttelte den Kopf.
    »In mir ist die Macht der Unsterblichkeit des Gefiederten«, übersetzte der Clerk.
    Zamorra hob die Brauen. »Macht der Unsterblichkeit«, wiederholte er. »Eigenartig.«
    Der Clerk wand sich wie ein getretener Wurm. »Monsieur, es ist eine schlechte Übersetzung. Das Wort Macht könnte auch eine andere Bedeutung haben. Es könnte auch ›Regenbogen‹ heißen…«
    »Macht und Regenbogen sind aber zwei recht unterschiedliche Dinge, finden Sie nicht?« gab Zamorra zu bedenken.
    »Oh, durchaus nicht. Sie müssen die Grundsituation verstehen«, sagte der Bantu. »Wer die Macht hat, Regen zu schaffen, also ein Wettermacher ist, der kann über diesen Regen den Regenbogen herbeirufen. Das steckt dahinter. Es gibt noch verschiedene andere Auslegungen des Wortes. Diese Sprache ist äußerst vielschichtig, Monsieur, und bildhaft. Jedes Bild hat eine bestimmte Bedeutung, die das Wort beeinflußt.«
    »Verblüffend«, sagte Zamorra. »Und mit dieser vieldeutigen Sprache kann man sich tatsächlich ernsthaft unterhalten?«
    »Natürlich, Monsieur. Es kommt immer auf den Zusammenhang an. Manchmal genügt schon die Umgebung, in der eine Unterhaltung geführt wird, um den Worten eine bestimmte Bedeutung zu geben.«
    Noch interessanter ist, wie erstklassig du der ersten Übersetzung auszuweichen versuchst, dachte Zamorra, nur ist der erste Gedanke meist der richtige!
    Ungwollt hatte der Bantu bei seinem sprachlichen Ausweichmanöver dabei noch einen Hinweis gegeben, der Zamorras Verdacht erhärtete. Wettermacher! Das deutete auf Zauberei hin!
    »Wo findet man denn diese Sprachkünstler mit ihrem selten gewordenen Dialekt?« wollte er wissen.
    »Interessiert Sie das so sehr?« staunte der Clerk. »Aber es ist ziemlich weit von hier entfernt und abgelegen. Ich würde an Ihrer Stelle nicht…«
    Zamorra lächelte und schob einen dritten Geldschein über die Tischplatte. »Wo?« fragte er. »Komme ich da mit meinem Sportwagen hin?«
    »Mit Sicherheit nicht«, sagte der Clerk. »Der Stamm lebt sehr zurückgezogen abseits der Straßen. Wenn Sie da mit dem Wagen liegenbleiben, werden Sie nicht einmal Hilfe bekommen.«
    »Trotzdem beschreiben Sie’s mir«, bat Zamorra. »Ich interessiere mich brennend für alte Sprachen und würde diese Leute liebend gern mal reden hören.«
    Eine Viertelstunde später kannte er den Weg. Er hoffte es zumindest. Es konnte natürlich sein, daß der Clerk ihm bewußt einen falschen Weg genannt hatte. Aber welches Interesse hatte dieser Mann daran, Zamorra von dem Bantustamm fernzuhalten? Er wußte mehr, als er zugeben wollte!
    Zamorra überlegte. Vielleicht sollte er tatsächlich zu diesem Stamm hinausfahren. Es waren vielleicht fünfundzwanzig Kilometer, wenn die Beschreibung stimmte. Und bis das Schiff zurückkam, hatte er auf jeden Fall eine Menge Zeit.
    Aber erst einmal fuhr er zur Polizei und fragte nach dem Verbleib von Sammys Leichnam.
    »Es ist ungewöhnlich, daß sich ein Europäer für unsere rätselhaften Todesfälle interessiert«, sagte Kommissar Nyoko, der die Untersuchungen leitete. »Sie sind Kriminalist oder Detektiv?«
    »Ich bin Parapsychologe«, eröffnete Zamorra. »Und ich habe den Verdacht, daß bei beiden Todesfällen - bei dem Keeper Sammy wie auch bei der Touristin — übersinnliche Mächte im Spiel waren und es vielleicht noch sind.«
    Nyoko lachte ihn nicht aus.
    Hier war Afrika! Hier galten andere Maßstäbe als auf der nördlichen Erdhalbkugel. Zamorra wußte, daß die Fußball-Nationalmannschaft des Nachbarstaates Kenia einen oder zwei Zauberer beschäftigte, die vor jedem Spiel in komplizierten Ritualen den Segen der Götter und den Sieg für ihre Mannschaft erflehten. Hier, in Tansania, war der Glaube an übersinnliche Dinge und Zauberei kaum weniger stark ausgeprägt. So wunderte es ihn gar nicht, daß Nyoko seiner Behauptung nicht ablehnend gegenüberstand. In einem europäischen Land wäre Zamorra jetzt bereits kalt lächelnd zur Tür hinaus komplimentiert worden.
    »Haben Sie einen Verdacht, welche übersinnlichen Mächte es sein könnten?« fragte der Kommissar.
    »Gerade das möchte ich ja herausfinden«, sagte Zamorra. »Dazu müßte ich aber den Leichnam sehen und vielleicht auch berühren

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