0374 - Der Vogeldämon
Schwingen aus und versuchte sich mit einem neuerlichen Luftsprung vom Boden zu erheben.
»Spinnt die?« fragte Pascal.
Der Keeper war wie ein Blitz hinter seinem Tresen hervorgestürmt, um der jungen Frau zu helfen. Aber ihr war bei dem Sturz nichts passiert! Anders wäre es gewesen, wenn jemand das Sonnendach am Abend eingerollt hätte. Dann wäre sie ungebremst auf die Marmorfliesen geprallt!
»Sieht aus, als hielte sie sich für einen Vogel«, sagte Sandy. »Da stimmt doch etwas nicht. Ist sie eine Schlafwandlerin?«
»Schlafwandler fallen nicht aus Fenstern«, sagte Garey. »Schon gar nicht so gezielt, wie sie das gemacht hat. Ich verstehe das nicht.«
Nadine sprang auf und lief zu Linda Cray hinüber. Sie hielt einen ihrer schwingenden Arme fest. »Aufwachen, Linda! Was ist los mit dir? Werde wach!«
Lindas Bewegungen verlangssamten sich. Sie wirkte geistesabwesend. Aber dann fand sie zu sich zurück. Sie zuckte heftig zusammen, sah sich um, sah an sich herunter und stellte fest, daß sie nur ein dünnes Nachthemd trug.
»Was… wie — wie komme ich denn hierher?«
»Sie sind aus dem Fenster gefallen, Miß«, sagte der Keeper. »Wie konnte das passieren?«
»Wenn ich das wüßte?« seufzte Linda. Sie sah in die Runde, betrachtete dann das aufgerissne Sonnendach. »Du lieber Himmel… da bin ich durchgeschlagen?«
Nadine nickte. »Und du bist auf die Füße gefallen wie ein Fallschirmspringer, Linda. Du hast unwahrscheinliches Glück gehabt.« Ihr anfänglicher Verdacht, Linda sei betrunken, verflog. Die Fotografin roch nicht nach Alkohol. Es mußte etwas anderes dahinter stecken. Aber was?
Auch Pascal kam jetzt heran. »Hat dich jemand aus dem Fesnter geworfen?« Im nächsten Moment wurde ihm der Unsinn seiner Frage klar. Sie hätten diesen Jemand doch von unten sehen müssen.
»Ich weiß nicht, was passiert ist«, sagte Linda leise. »Sammy, kann ich etwas zu trinken bekommen? Einen Cognac…«
»Auf Kosten des Hauses«, versicherte der Keeper. »Das ist mir auch noch nicht vorgekommen, so ein perfekter Fenstersturz ohne bleibende Schäden… he, nicht mal den Fuß verstaucht, gar nichts?«
»Gar nichts, glaube ich.«
»Kannst du dich an irgend etwas erinnern?« fragte Pascal.
Sie schüttelte den Kopf. Dankbar nahm sie den Cognacschwenker entgegen und nippte daran. »Ich verstehe das nicht. Ich wollte doch schlafen… habe mich doch ins Bett gelegt! Ich bin ja jetzt noch müde… und jetzt werde ich auf einmal hier unten wach! Das gibt’s nicht.«
»Hm«, machte Pascal. »Vielleicht hast du doch den Sturzschock die Erinnerung verloren. Vielleicht wolltest du Selbstmord begehen?«
»Das hätte ich bestimmt schlauer angefangen«, sagte sie. Sie seufzte. »Au weia, wie komme ich denn jetzt wieder in mein Zimmer? Ich hab’ doch von innen abgeschlossen, und mit etwas Pech steckt der Schlüssel quer…«
»Ah, das kriegen wir schon hin«, sagte Cal Garey. »Ich helfe dir. Als Einbrecher bin ich ganz große Klasse.«
»Ich glaube, ich komme da mal vorsichtshalber mit, ehe du die Chance schamlos nutzt und dich nicht nur als Einbrecher betätigst«, lachte Sandy. »He, Vivy, du Scheusal, rück’ endlich meinen Bikini raus. Ich könnte da drinnen ja jemandem über den Weg laufen, der sich an meinem Aufzug stößt…«
Wenig später waren sie im Gebäude verschwunden. Vivy Ruyters sah zu den weit entfernten düsteren Wolkenbändern hinüber. »Schwarze Wolken, und dann dieser Absturz, der ohne das Sonnendach tödlich hätte ausgehen können… irgendwie gefällt mir das nicht«, sagte sie.
»Habt ihr den großen Vogel gesehen?« fragte Nadine ausdruckslos.
***
Über dem Hotel kreiste der große dunkle Vogel. Die Verbindung zwischen seinem Geist und dem der Frau war abgerissen. Aber er fühlte, daß da ein anderer offener Geist existierte. Er berührte ihn leicht. Aber noch zögerte er. Das Abreißen der ersten Verbindung war zu spektakulär gewesen. Außerdem mußte er irgend etwas falsch gemacht haben. Vielleicht war er zu aggressiv vorgegangen. Er mußte erst noch etwas üben, mußte sich bedächtiger herantasten!
Es war verständlich. Er hatte seine Fähigkeit lange Zeit nicht mehr angewandt. Erst jetzt wieder, da es an der Zeit war.
Der Vogel ließ sich auf dem Dach des Hotels nieder. Von dort aus beobachtete er die Menschen und überlegte sein weiteres Vorgehen. Ihm blieb nicht viel Zeit. Nur wenige Nächte…
***
»Vogel?« fragte Pascal Lafitte verblüfft. »Was für ein Vogel?« Er
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