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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Erstes Kapitel
    Denise kam mit ihren beiden Brüdern zu Fuß vom Bahnhof Saint-Lazare. Sie waren eben erst von Cherbourg angekommen und hatten die ganze Nacht auf der harten Bank eines Eisenbahnwagens dritter Klasse zugebracht. Sie führte den kleinen Pépé an der Hand, während Jean ihr folgte; alle drei waren müde von der Reise und fühlten sich wie verloren in dieser ungeheuren Stadt Paris. Ihre erstaunten Blicke irrten über die hohen Häuser hinweg; bei jeder Straßenkreuzung erkundigten sie sich nach der Rue de la Michodière, wo ihr Onkel wohnte. Als sie endlich auf der Place Gaillon ankamen, blieb das Mädchen überrascht stehen.
    »Schau einmal, Jean!« rief sie.
    Wie angewurzelt standen sie da und schmiegten sich fest aneinander in ihren abgetragenen schwarzen Kleidern; sie waren in Trauer um den Tod ihres Vaters. Denise, ein für seine zwanzig Jahre recht schmächtiges Mädchen, trug in der einen Hand ein bescheidenes Bündel, während auf der anderen Seite ihr kleiner Bruder, der fünfjährige Pépé, an ihrem Arm hing. Hinter ihr stand Jean, ein sechzehnjähriger Bursche, der strotzte vor Kraft und Gesundheit.
    »Ist das ein Geschäft!« fügte sie nach einer Weile bewundernd hinzu.
    Es war ein Modewarenhaus an der Ecke der Rue de la Michodière und der Rue Neuve-Saint-Augustin, dessen Auslagen im milden Licht dieses Oktobermorgens in hellen Farben erstrahlten. Vom Kirchturm von Saint-Roch schlug es eben acht; auf dem Bürgersteig sah man nur Leute, die ihrer Arbeit nachgingen: Beamte, die in ihre Büros hasteten, Hausmädchen, die in den Läden Einkäufe zu besorgen hatten. Vor dem Eingang des Warenhauses standen zwei Gehilfen auf einer Doppelleiter und waren dabei, verschiedene Wollwaren auszuhängen. In einer Auslage nach der Rue Neuve-Saint-Augustin kniete ein anderer Gehilfe mit dem Rücken zum Fenster und legte blauen Seidenstoff sorgfältig in Falten. Im Innern des Geschäfts, in dem noch keine Kunden zu sehen waren und wo auch das Personal erst nach und nach eintraf, summte es aber schon wie in einem erwachenden Bienenkorb.
    »Donnerwetter!« rief Jean. »Da kann Valognes sich ja verstecken … Dein Geschäft war lange nicht so schön.«
    Denise nickte zustimmend. Sie hatte bei Cornaille, dem ersten Modewarenhändler von Valognes, zwei Jahre gearbeitet. Als sie jetzt plötzlich vor diesem Haus, vor diesem großartigen Geschäft stand, vergaß sie in ihrem Staunen alles übrige. An der stumpfen Ecke, die auf die Place Gaillon ging, befand sich eine hohe Glastür, die bis zum Zwischenstock reichte, umrahmt von kunstvoll zusammengesetztem, reich vergoldetem Zierat. Zwei sinnbildliche Figuren, lachende Frauengestalten, entrollten ein Band, auf dem zu lesen war: »
Zum Paradies der Damen
«. Dann folgte die Reihe der Auslagen längs der Rue de la Michodière und der Rue Neuve-Saint-Augustin, wo sie außer dem Eckgebäude noch je zwei Häuser einnahmen, die zu Erweiterungszwecken angekauft und vor kurzem erst eingerichtet worden waren. Das Geschäft erschien fast endlos mit seinen Schaufenstern im Erdgeschoß und seinen Spiegelscheiben im Zwischenstock, hinter denen man geschäftiges Treiben beobachten konnte.
    »Zum Paradies der Damen«, las Jean und lachte vor sich hin. Er war ein hübscher Junge, der in Valognes schon seine kleinen Weibergeschichten gehabt hatte. »Das zieht die Leute an!«
    Doch Denise stand immer noch versunken vor der Auslage zu seiten des Haupteingangs. Hier lag, sozusagen auf dem Gehsteig, ein ganzer Haufen von billigen Waren, Gelegenheitsartikel, welche die Kunden im Vorbeigehen anziehen sollten. Lange Bahnen der verschiedensten Stoffe ergossen sich aus dem Zwischenstock herab und flatterten wie Fahnen in allen Farben, schiefergrau, meerblau, olivgrün. Daneben hingen gleichsam als Umrahmung des Eingangs schmale Pelzstreifen als Kleiderbesatz herab. Unten schließlich waren in Fächern und auf Tischen mitten unter Stößen von Stoffresten Berge von Waren aufgestapelt, die für eine Kleinigkeit zu haben waren: gewirkte Handschuhe und Schals, Kopftücher, Leibchen, eine förmliche Ausstellung von Wintersachen in bunten, scheckigen, gestreiften Mustern. Es war ein riesiger Jahrmarkt; das Geschäft schien vor Überfülle bersten und seinen Überfluß auf die Straße ausschütten zu wollen.
    Onkel Baudu war vergessen. Selbst der kleine Pépé, der keinen Augenblick die Hand seiner Schwester losließ, riß erstaunt die Augen auf. Ein rollender Wagen zwang sie alle drei, die Mitte

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