039 - Wolfsnacht
verriegeln!« keuchte Freeman. »Schnell, Arlene. Drück die Knöpfe runter!… Ein Werwolf – ich werd’ verrückt!«
Seine Hände waren schweißfeucht. Gebannt glotzte er das Untier an. Der Werwolf war unschlüssig, schien zu überlegen, ob er auch das Mädchen und den jungen Mann angreifen sollte.
Ein verriegelter Wagen konnte ihn nicht abhalten. Er hatte genug Kraft, die Scheiben einzuschlagen. Dann konnte er die beiden packen, herausreißen und töten!
Töten! Töten! TÖTEN!
Das Monster setzte sich in Bewegung…
»Walter!« schrie Arlene Wood totenblaß und sank auf dem Beifahrersitz zusammen. Sie zitterte wie Espenlaub, konnte das Scheusal nicht mehr ansehen, starrte in den Fußraum des Fahrzeugs und schluchzte laut. »Er kommt! Wir sind verloren, Walter! Er wird uns töten wie diesen Mann!«
Freeman bebte vor Angst. Dieses weinende, schluchzende, jammernde Mädchen neben ihm… Gott, was war sie doch für eine schreckliche Nervensäge! Seine Hand zuckte zum Startschlüssel. Er unternahm einen neuerlichen Versuch, den Motor in Gang zu bringen, doch es war immer noch zuviel »Saft« an den Zündkerzen. Der Anlasser mahlte zwar, aber die Maschine sprang nicht an.
Und der Wolf, dieses blutbesudelte, gefährliche Ungeheuer, kam immer näher.
»Walter!« weinte Arlene verzweifelt. »Ich halte das nicht mehr aus! Tu doch etwas, tu doch irgend etwas!«
»Verdammt noch mal, was denn?« brüllte er das Mädchen an. Er wollte es nicht, es tat ihm auch leid, aber er war genauso verzweifelt wie sie.
Der Wolf erreichte den Wagen. Er hob die mächtigen Pranken.
Walter Freeman sah sich schon zerfleischt… Arlenes Hand schnellte zum Türgriff.
»Nicht!« schrie Freeman.
»Ich muß raus! Ich muß raus!«
»Bist du wahnsinnig? Bleib hier!«
Sie riß und rüttelte an der Tür. Daß sie die Verriegelung heruntergedrückt hatte, hatte sie schon wieder vergessen.
»Raus! Ich muß raus!« kreischte das Mädchen immer lauter.
Der Werwolf hieb mit der Pranke auf die Motorhaube. Wumm!
Das ganze Fahrzeug schaukelte. Freeman sah eine tiefe Delle. Diese Kraft, diese enorme Kraft! schoß es ihm durch den Kopf.
Jetzt zog das Monster seine Krallen über das Blech. Das Geräusch, das der Werwolf damit verursachte, ging den Wageninsassen durch Mark und Bein. Todesangst würgte Freeman mit eiskalten Händen.
Sie brauchten Hilfe! Aber wie sollten sie sie herbeirufen? Wenn sie das Fenster öffneten, waren sie geliefert.
Hupen! durchfuhr es Walter Freeman.
Das war die Lösung, vielleicht sogar die Rettung. Seine Linke zuckte zur Hupe. Er ließ sie losplärren, nahm die Hand nicht mehr weg. Knurrend sprang das Ungeheuer zurück.
Irgendwo öffnete sich ein Fenster, noch eines, noch eines… Menschen! Flüche! Rufe! Der Werwolf ließ von dem Fahrzeug und seinen Insassen ab, wirbelte herum, rannte in den Park hinein und löste sich Augenblicke später in der Schwärze der Nacht buchstäblich auf.
»Gerettet!« schrie Walter Freeman und umarmte glücklich das zitternde und schluchzende Mädchen. »Mein Gott, Arlene, wir sind gerettet!«
***
35 Jahre alt, eisblaue Augen, dichtes, seidig glänzendes braunes Haar, kräftiges Gebiß, Brillenträger – das war Vladek Rodensky.
»Tony!« rief er schon von weitem. »Tony!« Er lachte, passierte mit einem Koffer und einer Reisetasche den Zoll und trabte auf mich zu.
Knapp vor mir ließ er sein Gepäck fallen und umarmte mich herzlich.
»Willkommen in England«, sagte ich.
»Ich freue mich riesig, dich wiederzusehen.«
»Ich mich auch, Vladek. Wie war der Flug?«
»Neben mir saß ein süßes Wiener Mädel – es war alles an ihr dran, sag’ ich dir.«
»Hoffentlich ist es das noch«, sagte ich schmunzelnd.
»Na hör mal, wofür hältst du mich? Ich bin ein Gentleman und kein Lustmolch.«
»Ach, nicht mehr?« hänselte ich ihn. »Ja, ja, man wird alt, alles läßt ein bißchen nach, wie?«
»Bei dir vielleicht, bei mir noch lange nicht«, sagte Vladek Rodensky und boxte mich freundschaftlich gegen die Rippen. »Der Flug war sehr kurzweilig. Ich unterhielt mich mit der Kleinen ausgezeichnet.«
»Hast du ihr auch erzählt, daß du einen verdammt gutaussehenden Freund namens Tony Ballard hast?«
»Nein, daran dachte ich nicht… He, Moment mal, was soll denn das? Ich werde dich gleich bei deiner Freundin verpetzen.«
»Das sähe dir ähnlich«, sagte ich und griff mir seinen Koffer, der so schwer war, daß ich mir die Frage nicht verkneifen konnte: »Sag mal, hast du ein
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