0396 - Das Versteck in der Zukunft
damit steht noch nicht fest, daß auch wir bemerkt hätten, daß sie uns bemerkt haben - mit anderen Worten: Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß sie uns in die Irre führen und in eine Falle zu locken beabsichtigen."
„Unsinn!" Das war Gucky vom Interkom-Bildschirm her. Er lag noch immer auf seinem Bett und räkelte sich faul. „Die Brüder sind viel zu durcheinander."
„Kannst du Gedankenimpulse auffangen?" erkundigte sich Roi.
„Nein - obwohl sie auf einen Energieschirm verzichten. Vielleicht andere Überlagerung - wer weiß?"
Roi zuckte die Achseln und interessierte sich wieder mehr für die Kontrollen als für eine fruchtlose Diskussion. Die Geschwindigkeit steigerte sich regelmäßig, und dann verrieten erste Schockimpulse, daß das Eintauchmanöver in den Linearraum begann.
Darauf war Major Runete natürlich vorbereitet.
Ohne dem Navigationscomputer einen Kurs mitgeteilt zu haben, leitete auch er das Linearmanöver ein. Gleichzeitig setzte er den Halbraumspürer in Tätigkeit.
Auf dem normalen Bildschirm verschwand der Konusraumer, und unter normalen Bedingungen wäre er nun auch für immer verloren gewesen, nicht aber mit den Spezialinstrumenten der Space-Jet.
Auf einem anderen Bildschirm begannen sich die Umrisse des Konusraumers abzuzeichnen, kaum daß die C-13 in den Linearraum eintauchte. Diese Umrisse wurden durch den positronischen Zeichner hervorgerufen, mit gleichzeitiger Angabe der Entfernung und der Flugrichtung. Major Runete hatte es einigermaßen leicht, dem mit unvorstellbarer Geschwindigkeit dahinrasenden Shift zu folgen. Allerdings gab es sonst keine Orientierungsmöglichkeiten mehr, denn alle Sterne waren vom Bildschirm verschwunden.
Major Runete lehnte sich bequem zurück.
„Es kann nichts passieren - wir verlieren sie nicht."
Roi Danton schien ebenfalls beruhigt. Er atmete erleichtert auf.
„Geht glatter, als ich erwartete. Können Sie etwas über den Kurs aussagen?"
„Richtung KMW, wie bisher."
„Scheint also doch das Zentrum ihres Reiches zu sein. Was sagen Sie nun, Dr. Lieber? Werden sie uns zu ihrer Heimatwelt bringen?"
„Natürlich, Sir. Wohin sonst? Hören Sie, die Sache ist doch ganz einfach, wenn man sie vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet. Nehmen Sie alles, was Icho Tolot herausgefunden hat und was wir sonst wissen, dann haben Sie die wahrscheinliche Mentalität der Uleb. Dann wissen Sie, wie sie handeln müssen, zumindest in einer ganz bestimmten Situation wie dieser. Sie glauben, mit der tödlichen Krankheit infiziert worden zu sein, daher ihre überstürzte Flucht. Sie hätte aber keinen Sinn, wenn nicht schnellste Hilfe irgendwo bereitstünde. Und die wiederum kann nur auf der Heimatwelt erfolge Und was nun die Idee angeht, sie verzichteten auf eine Hilfe und opferten sich für ihre Rasse, so halte ich das für ausgeschlossen. Die Uleb sind relativ unsterblich. Bei den Herrschern über die Magellanschen Wolken handelt es sich zweifellos um jene Bestien, die von den Okefenokees vor sechzigtausend Jahren in der Kugelgalaxis M-87 in der Retorte hergestellt wurden. Bitte, versetzen Sie sich in die Situation eines unsterblich gewordenen Volkes und seiner einzelnen Individuen, Sir. Der Tod muß für sie mehr Schrecken haben als für einen normalen Sterblichen. Sie werden egoistisch und verantwortungslos ihren Rassegenossen gegenüber. Sie denken zwangsläufig nur an sich selbst. So auch jene dreihundert Bestien vor uns in dem fliehenden Raumer. Vergessen Sie nicht, daß wir für ihre Einstellung genug Beweise besitzen. Die ungeheure Eigenliebe der Uleb ist uns aus der Geschichte bekannt. Gnadenlos haben sie ganze galaktische Völker ausgerottet, nur um ihrer eigenen Sicherheit willen. Sie haben Angst vor jedem Zeitexperiment, weil sie annehmen, daß es jemand gelingen könnte, ihre Entstehung ungeschehen zu machen. Darum vernichteten sie jeden Planeten, auf dem Zeitversuche angestellt wurden. In dieser Hinsicht sind sie sich einig, zugegeben, aber was ihre ethischen und moralischen Werte angeht, so würde ich es so formulieren: Untereinander pflegen sie nicht den geringsten freundschaftlichen Kontakt. Jeder ist sich selbst der Nächste. Und darum glaube ich, daß sie keine Skrupel kennen, nur an Hilfe für sich selbst denken und dorthin fliegen, wo sie Hilfe erhoffen - nämlich zu ihrem uns unbekannten Heimatsystem."
Niemand hatte Dr. Lieber unterbrochen. Roi Danton nickte. Vom Interkomschirm her sagte Gucky nur: „Bravo, mein Lieber - ganz
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