Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
Prolog
Der kleine Seitenarm des River Conon nordwestlich von Muir of Ord in Strathconon trug seit Generationen zwei Namen. Für die einen hieß er Artair’s Burn, für die anderen Angus’ Burn. Für zwei Familien besaß er jedoch auch noch einen dritten Namen, Fuath-Burn, der Bach des Hasses, war es doch das Einzige, was die beiden Seiten verband: unbändiger Hass! Das graublaue Wasser aber floss davon ungerührt auch an diesem Sommertag gleichmäßig von seiner Quelle im Wald von Torrachilty kommend in den River Conon. Ein Schwarm brauner Forellen tummelte sich spielerisch darin. Auf der Lichtung, durch die der Fluss führte, graste ein Rudel Rotwild, das sich aus den kargen Bergen hinunter in das fruchtbare Tal gewagt hatte.
Plötzlich hielt das Leittier inne, hob den Kopf, stieß einen heiseren Schreckenslaut aus und stob in Richtung Wald von dannen. Das Rudel folgte ihm auf der Stelle. Einen Augenblick lang herrschte gespenstische Stille auf der Lichtung. Selbst die Vögel hatten aufgehört zu zwitschern.
Zwei Gestalten näherten sich mit schweren Schritten. Die eine von Norden, die andere von Süden. Es waren zwei Männer, beide gleichermaßen hochgewachsen und kräftig. Beide trugen sie die Kleidung der Hochlandbewohner, einen Kilt mit Hemd und Jacke, dazu dicke Strümpfe und derbe Schuhe. Und beide blickten ähnlich grimmig drein. Das aber waren auch schon alle Gemeinsamkeiten der beiden Männer, die nun jeweils auf ihrer Uferseite stehen geblieben waren. Der Mann, der von Norden gekommen war, hatte weizenblondes Haar, das ihm wirr bis fast in die Augen hing. Sein Gesicht war kantig und voller Bartstoppeln, sein Kilt, in dessen Tartan die Farbe Grün vorherrschte, verschlissen, sein weißes Hemd schimmerte fleckig. Über die Brust zog sich ein Riss im Stoff, und seine Schuhe waren mit einer Staubschicht bedeckt. Das Auffallendste an ihm aber waren seine wasserblauen Augen, so klar wie ein Bergsee. Er wirkte beinahe ärmlich, während der andere Mann einen wohlhabenden Eindruck machte. Dessen Kleidung war sauber und gepflegt, seine Schuhe waren geputzt, sein rundliches Gesicht glatt rasiert. Er hatte rote Locken, die neckisch unter seiner Mütze hervorlugten. Seine Kopfbedeckung besaß denselben Tartan wie der Kilt, in dem ein kräftiges Rot hervorstach.
Stumm und reglos standen sich die beiden eine ganze Weile gegenüber und musterten einander mit feindseligen Blicken.
»Warum hast du mich herbestellt? Für uns bist du schon vor vielen Jahren gestorben!«, rief der rot Gelockte schließlich über den Fluss.
Der Blonde lachte dröhnend. »Den Grund kennst du ganz genau. Du hast etwas, das mir gehört.«
Der Mann, der von Süden gekommen war, wurde blass. »Ich glaube, mein Lieber, du verkennst die Tatsachen!«, brüllte er zurück. »Das Land ist unser!«
»Was ihr euch genauso erschlichen habt wie die Collane, die euch nicht zusteht. Aber ich rede weder vom Land noch von der Ordenskette. Das weißt du ganz genau! Wo ist sie? Man hat mir gesagt, sie lebe in deinem Haus. Richte ihr aus, dass ich zurück bin.«
»Das werde ich nicht tun! Sie hält dich für tot, und das soll so bleiben.«
»Dann hole ich sie mir mit Gewalt.«
Der rot Gelockte lachte hämisch. »Das glaube ich dir gern. Damit kennt ihr euch ja aus, ihr Pack!«
Der Blonde machte einen Schritt nach vorn, versank bis zu den Knien im Wasser und drohte mit der Faust, aber der rot Gelockte zuckte nicht zurück. Im Gegenteil, sein mit Sommersprossen übersätes rosiges Gesicht lief feuerrot an, und er trat ebenfalls mit beiden Füßen in den Fluss.
»Was hat sie in deinem Haus zu suchen?«, schrie der Blonde. Auch seine Wangen hatten sich vor Zorn gerötet.
»Es ist auch ihr Haus«, gab der andere triumphierend zurück, »denn sie ist meine Frau.«
Er hatte seinen Satz kaum zu Ende gesprochen, als der Blonde sich ihm mit Riesenschritten näherte. Er war schon in der Mitte des Flusses angelangt und bis zu den Oberschenkeln im Wasser versunken. Der rot Gelockte aber war zurück ans Ufer geflüchtet.
»Komm her, Feigling!«, brüllte der Blonde. »Komm her und kämpfe! Tulach Ard!«
Der rot Gelockte zögerte einen Augenblick lang, doch dann sprang er ins Wasser und watete auf den Blonden zu. Ehe dieser sichs versah, hatte er ihm einen Hieb auf die Nase versetzt. »Wenn du es wagst, meiner Frau zu nahe zu kommen, bringe ich dich um. Sie erwartet unser zweites Kind. Jede Aufregung schadet ihr!«, schrie er, während der Mann, der aus dem
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