0398 - Die Töchter von Atlantis
Rücksicht nehmen. Ich machte mich auf den Weg.
Schon beim ersten Betreten des Schiffs war mir etwas in den Sinn gekommen, über das ich nicht weiter nachgedacht hatte, weil ich durch die Ankunft der Mädchen abgelenkt worden war. Nun aber kam es mir wieder in den Sinn. Ich hatte einfach das Gefühl, diesen Kahn zu kennen.
Genau das.
Zwar betrat ich ihn zum ersten Mal in meinem Leben, aber ich wusste mit einem Mal genau, wo ich hinzugehen hatte. Etwas in meinem Hirn gab mir Befehle. Von ihnen ließ ich mich leiten. Zudem gelang es mir nicht, die Stimme zu identifizieren, aber es gab da eine Kraft, die mich leitete.
An den verbrannten Aufbauten schritt ich vorbei und näherte mich dem Heck des Kahns. Die Anwesenheit der drei Mannequins hatte ich völlig vergessen, wichtig war nur allein das Schiff, von dem ich plötzlich wusste, dass es an seinem Heck eine prächtige Fürstenkabine barg.
Sie war für eine Herrscherin gebaut worden. Ihr Name fiel mir urplötzlich ein.
Macha Rothaar. Sie war Myxins Mutter!
***
Dieser plötzliche Einfall glich schon einem kleinen Schock, sodass ich unwillkürlich stehen blieb, darüber nachdachte und noch einmal meinen Blick über die Aufbauten gleiten ließ.
Alles stimmte. Das musste das Schiff sein, auf dem Myxins Mutter gelebt hatte.
Es war in Atlantis gebaut worden, und der kleine Magier selbst hatte es mir damals so deutlich beschrieben, dass ich mich wieder daran hatte erinnern können.
Ich atmete tief durch!
Macha Rothaar, die Frau, die zweimal gestorben war. Einmal in der Vergangenheit, einmal in der Gegenwart, und die ihr Sohn, Myxin, getötet hatte.
Der Fall damals hatte den kleinen Magier furchtbar aufgewühlt.
Soviel ich wusste, war er durch das zweite Töten eigentlich erledigt gewesen. Und nun stand ich auf diesem Schiff, das aus der Vergangenheit gekommen sein musste. Ein Phänomen, das sich nur durch eine magische Erklärung lösen ließ und sonst nicht.
»John, weshalb gehen Sie nicht weiter?« hörte ich Laura rufen.
»Was ist geschehen?«
»Nichts, alles ist in Ordnung.«
Ich hatte meine Überraschung wieder überwunden und ging weiter. Zur Kabine hin musste ich einen Niedergang überwinden. Auch er lag plötzlich vor mir, so wie es der kleine Magier damals berichtet hatte. Die Planken waren verbrannt. Sie knirschten und schabten in den Fugen, wenn ich über sie schritt, aber sie hielten, und das allein zählte.
Ich erreichte eine Tür.
Geschlossen war sie nicht. Hinter ihr lag die Kabine, in der vor über 10.000 Jahren einmal Myxins Mutter residiert hatte. Dass ich sie dort finden würde, diese Gefahr bestand nicht. Myxin hatte sie damals auf seine Arme genommen und zu der Treppe der Qualen geschafft. Ich konnte davon ausgehen, eine leere Kabine vorzufinden, und trotzdem musste es einer mir unbekannten Kraft gelungen sein, sich dieses Schiffes zu bemächtigen und es zu führen.
Ich stieß die Tür auf und betrat die Kabine, in der einst Myxins Mutter residiert hatte.
Es war schon ein seltsames Gefühl, als Mensch der Gegenwart auf einem Schiff zu stehen, das aus der Vergangenheit gekommen war und somit die Zeiten überwunden hatte.
Um besser sehen zu können, holte ich meine kleine Leuchte hervor und ließ den dünnen Strahl kreisförmig wandern. Er huschte durch eine Kabine, in der die lange Zeit ihre Spuren hinterlassen hatte. Da war alles verbrannt, zum Teil zerstört, und ich sah auch noch die Fragmente des Thrones, auf dem einst Macha Rothaar gesessen hatte. Wie ich von Myxin wusste, war sie zu einem weißen Skelett geworden.
Ebenso weiß und bleich schimmerte es auch im Lichtkreis meiner Lampe auf, der an einer bestimmten Stelle den Boden berührte. Es war praktisch die hinterste Ecke der Kabine, die ich ebenfalls genauer unter die Lupe nehmen wollte und deshalb hineilte.
Früher musste hier einmal eine Kommode oder ein ähnlicher Gegenstand gestanden haben. Jetzt jedenfalls war er zur Seite gerückt worden, sodass ich in eine Art Nische schauen konnte, die praktisch an diese Kabine gebaut worden war.
Die Nische besaß auch eine kniehohe Tiefe, und genau dieser Untergrund wurde von etwas Bleichem ausgefüllt. Es waren Knochen!
***
Für einen völlig normalen Menschen, der nie mit dem Grauen konfrontiert wurde, wäre dieser Fund sicherlich furchtbar gewesen. Für mich weniger, denn ich hatte schon oft genug vor Gebeinen gestanden und auch mit ihnen die schrecklichsten Überraschungen erlebt.
Ich wollte mich gerade bücken, um einige
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