Der Papstkäufer
Prolog: Der große Tag
Der helle Ton der Glocke zerriss die Stille.
Gefolgt von einem ungeduldigen Ruf.
»Herr, Eure Kutsche ist bereit.«
Der Mann, dem dieser Ruf galt, stand vor dem Spiegel und musterte sich selbst mit kritischen Augen.
Heute musste alles passen, durfte nichts danebengehen.
Heute war sein großer Tag, der wichtigste seines bisherigen Lebens.
In weniger als einer Stunde hatte er eine Audienz bei Papst Leo X.
Dort würde er, wenn alles gut ging, zu einem der mächtigsten Männer der Kurie aufsteigen.
Zwei Stunden hatte er bereits vor diesem Spiegel aus venezianischem Quecksilberglas mit dem mannshohen, vergoldeten Rahmen verbracht; nicht der kleinste Makel durfte seine Erscheinung trüben, wenn dieser wichtige Moment gekommen war.
Viel zu zäh war dabei die Zeit verronnen, die Stunde des großen Auftritts viel zu langsam näher gerückt.
Nun war es soweit.
Das immer ungeduldiger klingende Läuten der Glocke drang erneut durch die weit geöffneten Fenster ins Innere seiner feudalen Villa.
Fast schien es, als werde es auch lauter.
Geziert setzte sich Johannes Zink seinen Hut auf, den er eigens für die heutige Vorstellung gekauft hatte. Er wollte wohlhabend, gleichzeitig aber ein klein wenig demütig erscheinen. Jedoch auch wiederum nicht zu demütig, denn schließlich war der Papst sein Schuldner, und er wusste einiges über Leo X., was dieser mit Sicherheit nicht unbedingt in der Öffentlichkeit hören wollte. Auch im Zusammenhang mit dem neuen Jubelablass.
Er nahm einen Schluck vom guten Falerner, den er immer bereitstehen hatte. Er schnalzte mit der Zunge, als der teure Rote seinen Gaumen erreichte. Spielerisch gurgelte er kurz mit dem Wein – eine Angewohnheit, die er von dem völlig dekadenten Borgiapapst Alexander übernommen hatte. Dem ersten von mittlerweile vier Päpsten, die er in seiner Zeit als Fuggerfaktor hier in Rom erlebt hatte.
Gierig war er auf diese Beförderung aus gewesen, seit vielen Jahren. Denn als päpstlicher Familiare war er ab sofort ausschließlich der päpstlichen Gerichtsbarkeit unterstellt. Kein weltliches Gericht könnte ihm mehr etwas anhaben. Für einen Kaufmann eine fürwahr verlockende Vorstellung!
Und, in der Tat, das war unerhört, so etwas hatte es noch nie gegeben: Der Mann, der dem Papst Geld lieh, für ihn mit Pfründen schacherte und seine weltliche Seite vertrat, dieser Mann sollte nun auch selbst in den offiziellen Genuss von Pfründen kommen.
Der Konflikt, der zwangsläufig daraus entstehen sollte, die Unmöglichkeit der Treue zu seinem Brotherrn, dem Augsburger Jakob Fugger, UND zu seinem zweiten, neuen Herrn, Papst Leo X., störte ihn herzlich wenig. Seine Dienste waren käuflich, immer schon gewesen. Wer mehr zahlte, dessen Lied er sang. Eine Hand salbte die andere. Die größere Handsalbe entschied. So war halt der Lauf der Welt.
Was Jakob Fugger darüber dachte, interessierte ihn dabei nur am Rande. Grundsätzlich war der einverstanden, erhoffte er sich wohl auch noch mehr internes Wissen aus dem Zentrum der Kurie. Mehr Geschäfte natürlich auch. Und er zweifelte anscheinend auch nicht an seiner, Zinks, Loyalität.
Beiläufig tätschelte er seine Almosentasche. Ein allerletzter Blick in den Spiegel, mehr um seine eigene, lächerliche Eitelkeit zu befriedigen als zur wirklichen Prüfung. Er war immer noch ein stattlicher, gut aussehender Mann, er, der Johannes Zink aus Augsburg.
Vor allem aber war er mächtig.
Und überzeugend.
Denn sein ebenmäßiges, von einer immer noch recht vollen, braunen Haarpracht eingerahmtes Gesicht wurde komplettiert von seinen stechenden Augen, diesem Blick, für den er berühmt geworden war. Diesem Blick, der Frauen gleichzeitig abzustoßen und zu faszinieren schien, und der seinen Vertragspartnern schon oftmals die Unterschrift quasi aufgezwungen hatte, sie Unterschriften hatte leisten lassen, die sie später bitterlich bereuen würden. Diesem Blick, den der reiche Fugger so schätzte.
Kurzerhand beschloss er, den Weg zum Papst nun doch zu Fuß zurück zu legen.
Keine Kutsche, keine Sänfte.
Die Straßen waren trocken und der kurze Weg zum Vatikan halbwegs sauber.
Die Vorfreude auf den Triumph wollte er ganz alleine genießen.
Auf Italienisch, das ihm nach so vielen Jahren in Rom fließend über die Lippen kam, wies er seinen Diener in scharfem Ton an, die Kutsche wieder fort zu schicken.
Er sollte langsam losgehen.
Dieser Tag würde vieles ändern in seinem Leben.
Lange hatte
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