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04 - Herzenspoker

04 - Herzenspoker

Titel: 04 - Herzenspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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steht, dass sein Oberbefehlshaber jeden Morgen ein kaltes Bad nimmt«,
sagte er.
    Joseph
stieß einen Schreckensschrei aus. »Was? Den Zuber sollen wir jeden Tag die Treppe
raufschleppen?«
    »Vielleicht
geht er in die Hummums«, sagte Rainbird und meinte damit die Türkischen Bäder
in der Jermyn Street.
    »Ich
hoffe, er fällt hinein und ersäuft«, sagte Joseph verdrießlich. »Wo ist
eigentlich sein Diener? Er hätte ruhig auch beim Aufräumen helfen können.«
    »Mit
seinem Herrn weggegangen.«
    »Das
ist auch kein Unglück.«
    Währenddessen
machten sich die beiden Freunde, von Manuel beschattet, daran, in jedem
bekannten Etablissement der Hauptstadt, angefangen von den Spielhöllen der Jermyn
Street bis zum Royal Saloon am Piccadilly ein Glas zu trinken und sich dabei
nach Frauen umzuschauen. Und immer, wenn Lord Guy oder Mr. Roger eine besonders
hübsche Halbweltdame sahen, überreichten sie dieser ihre Karten und luden sie
feierlich für den folgenden Abend zu einem Fest in die Clarges Street Nr. 67 ein.
Als sie genug »Ware« beisammen, hatten, ergaben sie sich ganz dem Trunk und
Spiel, was schließlich damit endete, dass sie über den Berkeley Square
schwankten, als die Sonne bereits rot über den vom Rauhreif bedeckten Dächern
Londons hervorkam. Es war wieder kalt geworden. Mr. Roger sank auf die
grasbewachsene Fläche in der Mitte des Berkeley Square und schlief auf der
Stelle ein. Lord Guy, der sich jetzt ebenfalls todmüde und erschöpft fühlte,
rief Manuel über die Schulter zu, er solle zurück zu den Ställen gehen und die
Kutsche holen, um Mr. Roger heimzubringen.
    Als er
an den Häusern auf der Westseite des Platzes entlang weiterging, sah er
plötzlich durch eine offenstehende Haustür eine Dame, die auf dem obersten
Treppenabsatz stand.
    Sie
trug ein weich fließendes Nachthemd und ein hübsches Negligé. Ihre wunderbaren
roten Haare hingen ihr auf die Schultern herab. Auf dem Treppenabsatz, auf dem
sie stand, brannte auf einem Tisch eine Öllampe, die ihr ruhiges Gesicht und
ihre göttliche Gestalt beleuchtete. Der Butler, der die Tür hatte offenstehen
lassen, während er ein bisschen frische Luft schnappte, befand sich auf der
gegenüberliegenden Seite des Platzes und bemerkte Lord Guy nicht.
    Lord Guy
ging geradewegs in das Haus hinein und die Treppe hinauf. »Madam«, sagte er
voller Ehrfurcht, »Sie sind das schönste Wesen, das ich je gesehen habe.«
    Ihre
Augen - er nahm es verschwommen wahr - waren eine seltsame Mischung
aus Blau und Grün und Gold. Er hatte noch nie Augen wie diese gesehen. Völlig
betrunken und wie im Traum bewegte er sich auf die Göttin zu und streckte die
Arme nach ihr aus.
    Sie
sagte kein einziges Wort. Sie hob nur ihren schön geschwungenen Fuß, der in
einem perlenbestickten Ballerinaslipper steckte, und stieß mit aller Kraft zu.
Der Stoß traf ihn direkt in den Magen. Er taumelte und fiel die Stufen
hinunter.
    Da er
sehr betrunken war, blieben seine Muskeln ganz locker, und er kam unverletzt am
Fuß der Treppe an.
    Aus
weiter Entfernung hörte er Glocken klingeln und Füße laufen. Bevor ihn die
Diener der Lady aufhoben, um ihn hinauszuwerfen, sah er in der Halle sein
Spiegelbild in einem hohen Spiegel.
    Zuerst
erkannte er den verlebt aussehenden, betrunkenen Mann, der ihn da anstarrte,
überhaupt nicht. Aber dann war sein Schock so groß, dass er sich ohne den
geringsten Widerstand von den Dienern wie ein Bündel Kleider hinaus auf die
Straße werfen ließ.
    Er
torkelte nach Hause und fiel der Länge nach auf sein Bett, ohne sich
auszuziehen.
    Rainbird,
der Mr. Roger hatte zurückkommen hören, weckte Joseph und meinte müde, sie müssten
wohl nachsehen, ob sie helfen könnten.
    Sie
zogen sich langsam an, da sie beide nicht darauf brannten, ihrem Herrn allzu
schnell gegenüberzustehen. Als sie in Mr. Rogers Zimmer schauten, schlief
dieser bereits friedlich, Manuel hatte ihn ausgekleidet.
    Sie
gingen die Treppe wieder hinunter. Auf der Schwelle zu Lord Guys Zimmer blieben
sie wie angewurzelt stehen. Die Tür war offen, und sie sahen den Spanier vor
dem Bett stehen und mit hassverzerrter Miene auf seinen Herrn hinunterblicken.
    »Können
wir dir helfen?« fragte Rainbird.
    Manuels
Gesicht nahm sofort wieder seinen glatten, hochmütigen Ausdruck an.
    »Nein,
vielen Dank«, sagte er von oben herab. »Schließen Sie die Tür hinter sich, wenn
Sie gehen.«

Zweites Kapitel

    Es war ein
typischer Frühlingstag - das heißt, der Wind, der direkt von Sibirien
kam,

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