04 - Winnetou IV
wohl zu, daß Ihr darauf ausgegangen seid –“
„Euch eine Lektion zu erteilen?“ unterbrach ich ihn. „Ja, das wollte ich allerdings.“
„Nun gut! Es ist geschehen. Dabei soll und muß es aber nun sein Bewenden haben! Wir machen nicht mehr mit!“
„Ich auch nicht! Ist überhaupt gar nicht nötig! Wir werden ja gleich fertig sein!“
„Noch nicht ganz. Denn auf dieses Pferd kommt Ihr nicht!“
Er ging von vorn auf den Hengst zu, um ihn am Zügel zu fassen; ich aber war schneller als er. Das Pferd, welches ihn kommen sah, dachte, er wolle in den Sattel. Es wendete ihm Kopf und Brust zu und schnaubte ihm drohend entgegen. Das benutzte ich. Mit einigen schnellen Schritten kam ich von hinten – ein kräftiger Ansatz, ein Sprung, ein Schwung, und ich saß oben. Nun aber schnell in die Bügel und an die Zügel! Da ging der Schimmel auch schon mit allen Vieren in die Luft. Der Peon war gezwungen, auf die Seite zu springen, um nicht von den Hufen getroffen zu werden.
„Hund!“ brüllte er mich an. „Das sollst du mir büßen!“ Und zu seinen Kameraden gewendet, fügte er hinzu: „Kommt schnell hinein in den Hof! Die Abmachung darf nichts gelten! Er muß sie alle wieder herausgeben, sie alle!“
Er rannte mit ihnen fort. Da ich nun einmal auf dem Pferd saß, konnten sie mich nicht mehr daran hindern, nun auch den letzten Sprung noch auszuführen. Es galt also nur noch, mich um den wohlverdienten Ertrag meiner Mühe zu bringen. Darum beeilten sie sich, mir womöglich noch vorauszukommen. Sie waren nämlich überzeugt, daß dieses letzte Pferd mir nicht so willig gehorchen werde wie die beiden vorangehenden. Aber da irrten sie sich. Nun ich einmal fest im Sattel saß, unternahm es keinen Versuch, mich abzuwerfen. Das war die Wirkung der indianischen Kleidungsstücke. Aber es hatte mich trotz derselben doch wiedererkannt. Es wußte, daß ich kein Roter, sondern ein Weißer sei und darum zögerte es. Ich hütete mich, es durch die Sporen zu zwingen. Ich gab vielmehr gute Worte. Weil ich der Ansicht war, daß es einer Dakotakreuzung entstamme, versuchte ich es erst in dieser Sprache, und zwar mit den bei den Dakotastämmen gebräuchlichen Anfeuerungsworten für Pferde:
„Schuktanka waschteh, waschteh! Tokiya, tokiya – sei gut, sei gut, liebes Pferd! Lauf, lauf; geh weiter!“
Diese Aufforderung war ohne allen Erfolg. Ich setzte den Versuch also in Apatsche fort:
„Yato, yato! Tatischah, tatischah – sei lieb; sei gut! Lauf, lauf!“
Es spitzte die Ohren und wehte mit dem Schwanz. Es kannte also diese Worte, die aber noch nicht die richtigen waren. Darum probierte ich es nun mit dem Komantsche:
„Ena, ena! Galak – geh weiter; geh –“
Ich hielt mitten in diesem Zuruf inne. Ich hatte nicht nötig, ihn zu vollenden, denn der Hengst stieß einen tiefen Ton der Freude aus und begann sofort, mit allen Hufen zu spielen. Und da kam mir eine Idee, die eigentlich weit hergeholt erschien, sich aber dann später als wahr erwies. Es fiel mir nämlich der edle, dunkle Rotschimmel ein, den mein Freund Apanatschka, damals noch Häuptling der Naiini-Komantschen, mit großer Vorliebe geritten hatte. Ich habe dieses Pferd in ‚Old Surehand‘ Band 3 erwähnt und beschrieben. Und ich wußte, daß sowohl Apanatschka, als auch Old Surehand sich große Mühe gegeben hatten, diesen schönen Komantschenschlag mit Winnetous Lieblingen und besten Dakotatrabern zu vereinen, um Pferde zu ziehen, in denen die Vorzüge dieser drei Rassen zusammenflossen. Dieses Vorhaben war gelungen. Sie besaßen nun beide mehrere große Züchtereien, deren bedeutendste drüben am Bijou-Creek liegt, der ein Nebenfluß des südlichen Platte ist. Dort hatte Old Surehand sich zu den Wirtschaftsgebäuden ein Wohnhaus bauen lassen, in dem er einige Monate des Jahres zuzubringen pflegte. Dieser mit sehr gutem Geschmack eingerichtete Landsitz war gemeint, als er mir in seiner Mitteilung schrieb: „Betrachte mein Haus als das Deinige, auch wenn wir nicht daheim sind.“ Sollten die drei Fliegenschimmel von dorther kommen? Vielleicht auch die Maultiere? Sollten die sechs sogenannten ‚Künstler‘ samt ihren Peonen Pferdediebe sein? Unmöglich war das keineswegs. Trinidad ist seines Pferdehandels wegen weithin bekannt und für derartiges Gesindel ein ebenso bequemer wie gesuchter Ort, die geraubte Ware an den Mann zu bringen.
Das alles fuhr mir jetzt blitzschnell durch den Kopf, ohne daß ich aber Zeit hatte, den Gedanken festzuhalten und
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