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041 - Um Mitternacht im Leichenhaus

041 - Um Mitternacht im Leichenhaus

Titel: 041 - Um Mitternacht im Leichenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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hinuntereilen.
Eine Tür klappte, dann vernahm sie die knirschenden, sich entfernenden Schritte
auf dem Kiesboden.
    Stille – die dadurch verstärkt wurde, dass man die Geräusche, die sonst
kaum wahrzunehmen waren, plötzlich verstärkt hörte – wie das Ticken der Uhr,
das leise Rauschen der Heizung, der Wind, der sich in den Ritzen unter dem Dach
fing.
    Die Schauspielerin zitterte am ganzen Körper, während sich gleichzeitig in
ihr ein Gefühl der Genugtuung breitmachte. Jetzt hatte Ernest endlich den
Beweis! Es war jemand in der Nähe, der sie entweder in den Wahnsinn oder den
Tod treiben wollte. Nun musste auch ihr Mann einsehen, dass sie keiner
Halluzination zum Opfer gefallen war, und dass seit der Beerdigung von Henry Olander etwas vorging, das ...
    Sie erschrak, als sie an den toten Komponisten dachte. Wieso eigentlich
seit der Beerdigung von Henry Olander ? Was hatte das
damit zu tun? Schritte erklangen. Die von Ernest? Judy lief durch das Zimmer
und sah einen Schatten, der hereinkam.
    »Ernest?« Sie sah das weißgraue, unheimliche Gesicht vor sich. Dann hörte
sie die sanfte, zwingende Stimme: »Hallo, liebe Mrs. Bartmore ?«
    Judy öffnete den Mund zum Schrei, doch ihre Stimme versagte den Dienst. Sie
wich zurück, Schritt für Schritt, und ebenso kam ihr der Unheimliche näher, mit
einer Pistole in der Rechten. Er drückte die Tür hinter sich ins Schloss. Vor
den Augen der Schauspielerin begann sich alles zu drehen. Sie war einer Ohnmacht
nahe, und nur der eiserne Wille und die tödliche Angst vor dem, was sie
bedrohte, hielt sie bei Bewusstsein.
    Der Mann öffnete die Tür zum Balkon und riss sie weit auf. Ein kalter
Luftzug und Nebelschwaden wehten in den Raum. »Gehen Sie hinaus, liebe Mrs. Bartmore ! Es ist warm hier
drin, sehr warm. Draußen auf dem Balkon ist es frischer !« Die sanfte Stimme gewann fast eine hypnotische Gewalt über sie.
    Ernest – wo blieb nur Ernest? Hatte der Unheimliche abgewartet, bis ihr
Mann aus dem Haus gegangen war und sich dann hereingeschlichen, um sein
Vorhaben, das ihm im Theater nicht gelungen war, zu Ende zu führen? War Ernest
etwas zugestoßen?
    Judy merkte, dass sie die Schwelle zum Balkon überschritt. Sekundenlang
hatte sie mit dem Gedanken gespielt, an dem Eindringling vorbeizurennen, raus
aus dem Zimmer – doch noch ehe sie an der Tür gewesen wäre, hätte die erste
Kugel sie erreicht. Sie fand nicht die Kraft, etwas zu unternehmen, war schon
zu sehr geschwächt und fühlte wieder die Zweifel in sich aufsteigen, ob das,
was in diesen Sekunden geschah, nur eine Wahnvorstellung war.
    »Und jetzt auf die Balkonbrüstung hinauf! Denken Sie einfach, Sie könnten
fliegen, liebe Mrs. Bartmore !«
    Wie sie diese Stimme hasste und verabscheute, wie diese Stimme ihr
Innerstes aufwühlte!
    »Es wird schnell gehen! Sie werden genau vor der betonierten Ausfahrt zur
Garage aufschlagen! Sie werden nichts spüren! Das verspreche ich Ihnen! Sie
haben doch keine Angst, nicht wahr ?«
    Die Stimme befahl ihr, beherrschte ihr Denken und Fühlen. Judy Bartmore spürte den kalten, harten Stein in ihrem Rücken.
Die Balkonbrüstung! Sie fror und erschauerte, obwohl sich ihr Körper wie im
Fieber anfühlte.
    Der kalte Wind pfiff um das Haus, zerzauste ihre Haare und wehte ihren Rock
in die Höhe.
    Alles in ihr war ohne Gefühl, erstarrt und tot. Sie gehorchte, ohne es zu
begreifen. Die Furcht vor dem Unheimlichen und vor der Waffe, die sie bedrohte,
war stärker als die Angst, auf die schmale Balkonbrüstung zu steigen. Sie war
unfähig, sich auszumalen, was dann erfolgen würde.
    Die Brüstung war flach. Schon wenn man sich hinüberbeugte, konnte man das
Gleichgewicht verlieren. Judy setzte sich.
    »Hinaufsteigen, habe ich gesagt !«
    Sie nahm den Maskenmann nicht mehr richtig wahr. Der Nebel, der ihn
einhüllte und in das warme Zimmer wehte, ließ die Gestalt auf der Schwelle nur
schemenhaft wie hinter einem grauen, sich ständig bewegenden Schleier
erscheinen.
    »Nicht hinsetzen, Mrs. Bartmore !« Die Stimme triefte vor Hohn, und Judy kam es so vor, als
wäre der Triumph mit jedem Wort deutlich herauszuhören – der Triumph, sie
besiegt zu haben. »Und jetzt einfach fallen lassen! Sie werden sterben – aber
Sie werden nicht begreifen, warum !«
    Judy bemühte sich verzweifelt, aus diesem fürchterlichen Traum aufzuwachen
und zu entkommen – aber es war vergeblich. Ihr Körper spannte sich. Sie drehte
sich um und starrte in die Tiefe, ohne den schwarzen, feuchten Boden

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