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0414 - Ein Goldfisch unter Großstadt-Haien

0414 - Ein Goldfisch unter Großstadt-Haien

Titel: 0414 - Ein Goldfisch unter Großstadt-Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
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nörgelig. Gegen Mittag schlief ich fast am Schreibtisch ein. Eiswasser und starker Kaffee halfen nicht viel. Bewegung war das einzige, was mich in Trab halten konnte. Ich angelte meinen hellen Sommerhut vom Haken und verließ das FBI-Gebäude. Phil war unterwegs und — wie ich am Morgen festgestellt hatte — immerhin so munter, daß ich ihm mit meiner augenblicklichen Form sicherlich auf die Nerven gegangen wäre.
    Ich schlenderte in Richtung Central Park und dachte über die jüngsten Ereignisse nach. Seit dem frühen Morgen hatte sich nichts ereignet. Joe Hunter war nicht zurückgekommen, die Fahndung nach Lester Morgans Mörder, nach Ferdinand Kramer, Johnny Star und nach Rod Haskin war erfolglos geblieben.
    May Hunter saß in ihref Wohnung, wurde von dem Sergeanten bewacht und war dennoch allein mit ihrem Schmerz über die Ermordung ihres ' Vaters. Lester Morgan, ein grauhaariger Mann mit bewegter Vergangenheit; ein Mann, an den die Ereignisse von zwei Seiten herangerollt waten, den die Ereignisse wie die Puffer zweier Güterwagen zwischen sich zermalmt hatten.
    Kramer und Jesse Fair — das war die eine Seite. Rod Haskin war die andere. Morgans Mörder, der kahlköpfige Killer, zu welcher Seite gehörte er? Vermutlich zu Kramer, denn woher hätte der Killer sonst von dem Schlüssel wissen können? Aber war es aus der Sicht von Kramer nötig gewesen, den alten Mann zu ermorden? Offensichtlich war Morgan doch bereit gewesen, die Hunderttausend als Lösegeld für seine Tochter zu opfern.
    Ich lief eine Weile über die kiesknirschenden Wege des Central Parks und versuchte, die Ereignisse zu ordnen. Es gelang mir nicht.
    ***
    Die Klimaanlage war defekt, und je höher die Sonne stieg, um so heißer wurde es im Dachgeschoß des großen Apartment-Hauses. May Hunter stand auf dem kleinen Balkon und starrte hinab in das satte Grün des Gramercy Parks. Der Sergeant der Stadtpolizei, der zum Schutz der Frau in der Wohnung zurückgeblieben war, hätte sich über die Gedanken der schönen Frau gewundert. Rex Bowel hatte sich einen Sessel in die Diele gerückt. Bequem zurückgelehnt, die Mütze neben sich auf den Boden gelegt, blätterte der Mann in einem Journal. Während des Vormittags hatte er die Frau nur sekundenlang zu Gesicht bekommen. Nur jedesmal dann, wenn sie die Diele durchqueren mußte, um in eins der anderen Zimmer zu gelangen.
    May Hunter hatte während der halben Nacht an ihren Vater gedacht, an die langen Jahre der Gemeinsamkeit, an die ausgestandenen Ängste der letzten Zeit, an die Flucht nach Europa, die Rückkehr, die neue Angst, die Ungewißheit. Die Frau erschauderte, als ihr bewußt wurde, daß sie über den Tod ihres Vaters fast so etwas wie Erleichterung verspürte. Nein, hämmerte es in Mays Hirn, das darf nicht wahr sein. Ich bin tief traurig. Ich trauere um meinen Vater. Es ist entsetzlich, daß er nicht mehr bei mir ist. Er hätte hundert Jahre leben müssen — und noch länger.
    Aber May Hunters graue Augen blieben trocken, und der Schmerz, zu dem sich die Frau zwingen wollte, war ehrlich gemeint, aber so dünn wie die frische Lackschicht auf einer rostzerfressenen Autokarosserie.
    Die Frau ging ins Balkonzimmer zurück. Auf einer freien Stelle des großen, die Längswand bedeckenden Bücherregals, standen zwei lederne Bilderrahmen. Der kleinere enthielt Lester Morgans Foto. Auf dem kolorierten Bild von Joe Hunter blieb der Blick der Frau hängen. May preßte die vollen Lippen aufeinander. Eine bittere Wut stieg in ihr auf.
    Wie ein junges Reh, das von Hunden gehetzt wird, hatte sich May Hunter dorthin geflüchtet, wo nach ihrer Meinung Schutz für sie war. Joe war ihr wie der große Retter vorgekornmen, wie der Mann, der sie vor Rod Haskih und Kramer ohne Schwierigkeiten beschützen könne. Wenige Monate Ehe hatten die Illusion wie eine Seifenblase platzen lassen.
    Die goldene Uhr an Mays Handgelenk zeigte vier Minuten nach zwölf. Die Frau trat zum Telefon, nahm den Hörer ab und wählte. Dann lauschte sie mit pochendem Herzen und angehaltenem Atem, den Blick ängstlich auf die geschlossene Tür des Balkonzimmers gerichtet. Hoffentlich war dieser grobgesichtige Polizist nicht neugierig. Hoffentlich steckte er nicht die Nase herein, sobald er ihre Stimme vernahm.
    Am anderen Ende der Leitung wurde der Hörer abgenommen. Eine dunkelgefärbte Männerstimme meldete sich mit einem: »Ja?«
    »Ich bin ’s, Bill.« May sprach so leise, daß es kaum zu vernehmen war. »Bitte, stell keine Fragen,

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