0434 - Die Rache der Menschengeier
dich beobachten und zuschlagen, wann immer wir es für richtig halten. Es kann Monate dauern, auch Jahre, aber wir vergessen nichts. Unser Götze ist stärker. Skiibar, Gott der Geier, vergißt nichts. Auch nicht, daß du uns töten wolltest, Fremder…«
Sie sprachen es und breiteten die Flügel aus. Da feuerte ich.
Damit hatten sie natürlich gerechnet. Sie waren verdammt schnell, als sie in die Höhe stiegen, trotzdem verlor einer der Geier einige Federn, die zu Boden segelten.
Dann waren sie auch aus dem Schein meiner Stableuchte verschwunden, aber sie blieben über mir, denn ich vernahm das Rauschen ihrer Schwingen und auch ein krächzendes Lachen, in dem sehr viel Menschliches steckte und sich mit den Lauten der Vogelgeier vermischte.
Ich kam mir vor wie ein Wicht. Vielleicht hätte ich längst schießen sollen, aber ich war eben noch zu unerfahren. Außerdem hatte mich der Anblick hart geschockt. Jetzt waren sie mir entwischt! Ich wartete die Nacht über ab, saß zwischen den Felsen, schaute hin und wieder mal auf die Knochen oder leuchtete den Baum an, der jetzt so leer und tot wirkte.
Kein Dämonen- oder Menschengeier ließ sich mehr blicken. Sie hatten sich zurückgezogen.
Und ich hatte das Nachsehen. Irgendwann kam mir die Idee, die unmittelbare Umgebung abzusuchen. Da es sehr kalt geworden war, tat mir die Bewegung gut.
Die Lampe gab genügend Licht, um mir die Orientierung zu ermöglichen.
Ich war auf die andere Seite des kleinen Gehölzes gegangen und stellte fest, daß die Felsen hier eine andere Formation zeigten. Sie waren wuchtiger und zeigten auch nicht mehr das übereinander geschobene und unterschiedlich vorstehende Gestein wie dort, wo ich die Geier mit den Menschenköpfen entdeckt hatte.
Über eine Schräge, die mit Sand und Staub bedeckt war, rutschte ich auf die Felswand, bis ich den Grund erreicht hatte und mir das aus der Nähe anschaute, was ich schon im Schein der Lampe gesehen hatte.
Es war der Eingang zu einer Höhle.
Nicht sehr groß, halbrund, sich vom sandigen Boden erhebend und wahrscheinlich zu zwei Dritteln zugeschüttet.
In mir erwachte die Neugierde. Wenn ich mich auf den Bauch legte, konnte ich in die Höhle hineinkriechen. Vielleicht war sie das Versteck dieser mutierten Geier.
Es bedeutete für mich ein Risiko, in die Höhle zu kriechen. Ich wußte nicht, was mich dort erwartete. Ich konnte abstürzen oder irgendwelchen Feinden in die Hände fallen, aber in diesem Augenblick wuchs ich über mich selbst hinaus.
Zunächst wühlte ich Sand zur Seite, um den Eingang zu vergrößern, dann strahlte ich in die Höhle hinein, folgte mit meinen Blicken der hellen Lanze und sah, daß der Kegel über feucht glänzendes Felsgestein glitt und sich später verlor.
Abstürzen würde ich also nicht.
Weshalb dann nicht den Versuch wagen? Ich drückte mich noch enger in den Sand und robbte wie ein Rekrut. Endlich hatte ich die Höhle erreicht.
Graues, zerrissen wirkendes Gestein umgab mich. Es mußte vulkanischen Ursprungs sein, sicherlich war die Insel vor ihrer Entstehung einmal ein feuerspeiender Klumpen gewesen, doch jetzt war das Gestein erkaltet. Nichts deutete mehr auf einen Ausbruch heißer Lava hin.
Ich konnte mich hinknien und rutschte so weit vor, bis ich an einen Rand geriet, von dem aus es steil in die Tiefe ging. Vor mir lag ein Krater. In ihn leuchtete ich hinein, kam auch bis zum Grund, entdeckte dort zahlreiche bleiche Knochen, die von zahlreichen Toten stammen mußten. Es war ein makabrer Anblick, aber das war nicht alles.
Aus der Mitte des Gebeinhaufens erhob sich eine Gestalt, die menschliche Formen besaß, aber durch und durch mit Federn bedeckt war, bis auf ein pechschwarzes Gesicht mit gelben Augen und einem langen, gekrümmten Schnabel.
Die Gestalt war ein übergroßer Vogel. Ich hatte die Mitteilung der Vögel nicht vergessen. Das muß Skiibar, der Vogelgott sein.
Lebte er? War er tot? Füllte ihn die Schwarze Magie aus, oder wurde er nur als Statue verehrt und angebetet?
Diesmal wollte ich Nägel mit Köpfen machen. Der Vogelgott lag noch im Treffbereich meiner Kugeln. Ich visierte ihn an.
Es dauerte seine Zeit, bis sich meine Nerven beruhigt hatten und ich die Hand ruhig halten konnte. Dann schoß ich.
Dreimal bellte die Waffe auf. Das Mündungslicht vereinigte sich mit dem bleichen Schein der Lampe. Schußechos durchtosten den Krater und auch die Höhle. Von der Decke rieselten Staubfahnen und kleinere Steine, ich aber starrte auf den
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