044 - Der Teufelseid
Marvin Cohen erblickte. Dorian hatte schon bei früheren Gelegenheiten bemerkt, dass sie immer Eindruck schinden wollte und sich von ihrer besten Seite zeigte, wenn Cohen dabei war. Sie wurde in seiner Anwesenheit ein ganz anderer Mensch.
Als Kitty zu sich kam, bot Dorian ihr an, für einige Zeit in seinem Haus zu bleiben. Sie nahm dankbar an. Dorian tat dies nicht nur aus Nächstenliebe, obwohl er Mitleid mit ihr hatte. Er hoffte insgeheim, dass sich ihr untoter Freund blicken lassen würde und er ihn sich vornehmen konnte.
Cohen verabschiedete sich. Kitty hatte sich ins Gästezimmer zurückgezogen.
Kaum war Dorian mit Lilian allein, begann sie damit, ihm Vorhaltungen zu machen.
Er liebe sie nicht mehr. Sie sei doch nicht dumm und wisse, was er während ihres Sanatoriumsaufenthalts getrieben habe. Sie wisse auch, dass er immer noch an die andere denke, an diese Coco, die ihn verhext habe.
»Was ist aus deinen guten Vorsätzen geworden?«, hielt sie ihm weiter vor. Er öffnete seufzend die Bar, griff nach der Whiskyflasche. »Du säufst schon wieder wie ein Loch, qualmst wie ein Schlot. Die Vorhänge in der Bibliothek sind schon ganz gelb und stinken nach kaltem Rauch. Und dann bringst du noch dieses junge Flittchen ins Haus.«
»Es ist ja nur vorübergehend.« Dorian ärgerte sich, dass er Kitty nicht in der Jugendstilvilla untergebracht hatte. Aber dort hätten sich die Dämonen nicht an sie herangewagt.
»Meinetwegen«, keifte Lilian weiter. »Das wäre nicht einmal das Schlimmste. Aber du bist nächtelang weg, rufst mich nicht einmal an. Und dann bringst du diese schrecklichen Dinger ins Haus, die mir Albträume verursachen.«
Sie deutete auf den Handkoffer, der geöffnet auf dem Tisch der Bibliothek stand und in dem die Dämonenbanner zu sehen waren.
»Diese Gegenstände sollen dir keine Albträume verursachen, sondern dich davon befreien«, sagte Dorian.
Aber sie hörte ihm nicht zu.
»Du hast mir versprochen, eine geregelte Arbeit zu suchen. Du könntest dir als Journalist dein Brot verdienen, du warst nämlich ein guter Journalist. Ach, Rian, was ist nur aus dir geworden?«
»Es ist ja nur vorübergehend«, redete er ihr zu. Warum brachte sie denn nur so wenig Verständnis für ihn auf? »Phillip ist verschwunden, und als Vormund des Jungen fühle ich mich verpflichtet, nach ihm zu suchen. Das musst du doch verstehen.«
»Und was aus mir wird, kümmert dich dabei nicht!«
Sie schluchzte auf, rannte aus dem Zimmer und über die Treppe nach oben. Dorian hieb wütend mit der Faust auf den Tisch. Er war in ein Dilemma geraten. Lilian hatte schon Recht, er war nicht mehr er selbst, wenn er es auch ganz anders meinte als sie. Und plötzlich wurde ihm deutlicher denn je bewusst, dass Lilian ein Hemmschuh für ihn war. Ohne sie wäre er nie auf das Niveau der Mittelmäßigkeit gesunken.
Verdammt, er musste sich um Phillip kümmern. Lilian musste einfach zurückstehen, und wenn sie das nicht einsah, war ihr nicht zu helfen. Vielleicht war der Hermaphrodit die letzte Chance der Menschheit gegen die überhandnehmende Eskalation des Bösen durch die Dämonen.
Warum hatte Lilian Phillip eigentlich nicht erkannt, als er hier im Haus auftauchte? Dorian versuchte sich zu erinnern, ob die beiden einander schon früher einmal begegnet waren.
Er zuckte zusammen, als das Telefon schrillte, griff schnell nach dem Hörer und meldete sich.
»Ah, Hunter«, sagte eine krächzende Frauenstimme, dann war ein tiefes Atemholen wie von einer Asthmaleidenden zu hören. »Ich nehme an, dass Sie die Suche nach Phillip noch nicht aufgegeben haben. Das ist dumm.«
Dorian hatte das Foto hervorgeholt und betrachtete es. Die Stimme aus dem Telefon passte haargenau zu dieser Frau: rau, ordinär – eine andere Stimme war für diese Erscheinung überhaupt nicht denkbar.
Dorian vergaß vor Erregung die Zigarette zwischen seinen Lippen. Erst als er die Hitze der Glut spürte und sich fast verbrannte, spuckte er sie aus. Er konnte kaum einen zusammenhängenden Gedanken fassen, wusste nur, dass er die Unbekannte solange wie möglich hinhalten musste.
»Hallo, sind Sie noch da?«, fragte er mit belegter Stimme.
»Aber gewiss Rian-Boy.« Sie kicherte abstoßend. »Es würde Sie wohl brennend interessieren, wo ich bin, was?«
»Wer sind Sie denn eigentlich? Was wissen Sie von Phillip?« Es fielen ihm in diesem Augenblick keine anderen Fragen ein.
»Sie dürfen mich Aphrodite nennen, Hunter«, antwortete die krächzende Stimme
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