044 - Die Millionengeschichte
Arm hindurch und öffnete den unteren Flügel von innen.
»Ferdie, mein Junge!« rief er. »Mit deinem Trotzkopf kommst du bei uns nicht durch. Also komm, mein Liebling. Mach keine faulen Witze!«
Tiefes Schweigen herrschte in der Wohnung. Er drehte das Licht an und fand das Schlafzimmer in Ordnung. Er öffnete die Schränke, aber auch hier hatte sich Ferdie nicht versteckt.
Das Speisezimmer war aufgeräumt. Ferdies Pantoffeln standen vor dem Kamin, auf dem Tisch lag ein ganzer Stapel von Briefschaften aufgehäuft, wie das zu Weihnachten üblich ist. Poggy ging ins Arbeitszimmer, wo Ferdie immer die Sportberichte las. Auch im Bad war er nicht - nun blieben nur noch der Hängeboden, das Dienerzimmer und die Speisekammer übrig, aber die waren ebenso leer wie die Küche.
Auf dem Kamin im Speisezimmer stand die Fotografie einer Dame von etwas über neunzehn Jahren und darunter eine Widmung geschrieben. Poggy las sie, und die Haare standen ihm zu Berge, denn die Widmung war durchaus nicht mütterlich. Und nun fühlte er sich getäuscht und verraten, denn eine junge Dame, die auf eine Fotografie schreibt: »Dein für ewig, mein Liebster«, hatte sonderbare Ansichten über mütterliche Liebe. Böse packte er das Bild. Er wollte es mitnehmen und es ihr direkt unter die Nase halten. Auf keinen Fall durfte es Ferdie behalten, der war dieses Geschenks nicht würdig. Außerdem war die Ewigkeit auf dem Bild doch jetzt ausgeträumt.
Er drehte das Licht sorgfältig überall wieder aus, öffnete das Fenster und kletterte hinaus. Als er an Mr. Cruthers' Fenster kam, war das Licht dort auch gelöscht und das Fenster fest geschlossen. Sein Freund hatte wahrscheinlich angenommen, daß Poggy Ferdies Räume durch die Wohnungstür verlassen würde.
Einen Augenblick überlegte Poggy. Schließlich konnte er die Feuerleiter gebrauchen. Kurz entschlossen kletterte er hinunter und sprang dann die letzten beiden Meter auf den Hof. Ein interessierter Zuschauer trat aus der Dunkelheit.
»Frohes Fest«, sagte der Fremde. »Wollen Sie einen kleinen Spaziergang mit mir machen?«
»Nein, fällt mir gar nicht ein. Ich kenne Sie nicht, und ich will Sie auch nicht kennenlernen. Guten Abend.«
Der Mann packte ihn am Arm.
»Ich bin Sergeant M'Neill von Scotland Yard und verhafte Sie wegen Einbruchs und unbefugten Eindringens in fremde Wohnungen.«
Geistesgegenwärtig zog Poggy die gerahmte Fotografie aus der Tasche und ließ sie auf den Boden fallen.
»Danke«, sagte M'Neil. »Da haben wir ja den Beweis.« Er bückte sich und hob das Bild vom Boden auf. »Sie sammeln wohl Kunstschätze? Ich habe Sie schon zwei Stunden lang beobachtet. Wo ist denn Ihr Freund Ike? Ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen.«
Auf der Station wieder dasselbe Verhör:
»Smith«, sagte Poggy etwas bleich, aber entschlossen. Die Sache mit der Fotografie war allerdings fatal, hatte aber ein Gutes. Sergeant M'Neill, der ihn die ganzen Vormittag dadurch geärgert hatte, daß er die Diamant- und Smaragdbrosche mit dem Klavier identifizieren sollte, hatte ihn glücklicherweise nicht erkannt. Und der Sergeant vom Dienst war inzwischen abgelöst worden.
»Vorname John oder William?«
»Haydn«, erwiderte Poggy, denn er war musikalisch.
Der Gefängniswärter untersuchte seine Taschen und zählte Stück für Stück auf, was er bei ihm fand. Poggy riß sich zusammen.
»Schließlich können Sie es ruhig wissen«, sagte er dann. »Mein Name ist Bannen, und ich bin der Komponist des herrlichen Liedes ›Wer weiß, wo ich ruhn werde in dieser Nacht‹.«
»Zelle sechs!« erklärte der Stationssergeant.
Ferdie hörte, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte. Dann öffnete sich die Tür.
Interessiert richtete er sich auf, und Poggy sackte zusammen, als er ihn sah.
»Ferdie...! Sie hier!«
Ferdie war nicht weiter erstaunt.
»Setzen Sie sich ruhig hin, Poggy. Das ist ja zum Totlachen. Warum sind Sie denn verhaftet worden? Haben Sie jemand umgebracht?«
»Das ist heute der zweite Fall«, sagte der Richter erregt und ärgerlich. »Und auch diesmal ist der Bestohlene seiner Pflicht nicht nachgekommen und vor Gericht erschienen, um sein Eigentum zu identifizieren. Weder Mr. Stevington noch Mr. Bannett haben es für nötig gehalten, das Gesetz und die Polizei zu unterstützen. Den anderen habe ich auf ein Monat ins Gefängnis geschickt, und Sie bekommen auch einen Monat. Und ich warne Sie...«
Einen Monat später wurden beide am selben Morgen aus dem Gefängnis von Pentonville
Weitere Kostenlose Bücher