0440 - Mein Boß saß in der Todeszelle
lassen. Ich hatte gerade die beiden ersten Buchstaben gewählt, als ich hinter mir eine Tür gehen hörte.
Ich drehte mich um.
Danto! Alberto Danto.
Mir fiel der Hörer aus der Hand. Die Frau war ebenso überrascht wie ich. »Mr. Costella!« flüsterte sie, »wo kommen Sie her?«
Costella? Dantos Bruder, der diese Mission gegründet hatte, nannte sich Costella, weil ihm der Name der Dantos zu blutbeschmiert gewesen war. Danto selbst hatte mir das erzählt. Aber das hier war Danto! Das war nicht der Bruder, das war Danto!
Mit einem Schlag war mir das klar. Aber wieso? In Frisco… Ich schaute auf die Uhr. Es konnte sich nur noch um wenige Stunden handeln, dann würde man Danto in die Gaskammer führen. Aber Danto stand hier.
»Woran denken Sie, Cotton?«
Ja, das war Dantos Stimme. Das waren seine Augen. Die gefährlichen Augen, die mich haßerfüllt angestarrt hatten, als ich ihn auf dem Hinterhof stellte. Das war die Stimme, die mir wutverzerrt entgegengeschrien hatte: »Warte, Cotton, wir sehen uns wieder!« Danto. Alberto Danto.
»Ich habe Ihnen zu danken, Cotton. Sie haben Ihre Sache hervorragend gemacht. Keiner aus dem Syndikat hätte besser arbeiten können. — Kein Buck fehlt. Können Sie sich schon die Schlagzeilen in den Zeitungen vorstellen, Cotton? ,Sein Boß saß in der Todeszelle wird es heißen, ,Gangsterschreck Cotton macht gemeinsame Sache mit Syndikatsmitglied'. Schade, Cotton. Ich hätte Sie wirklich noch einmal gebrauchen können. Aber Sie sind mir nicht sicher genug. So, wie ich Sie kenne, gibt es nur eine Methode, Sie auf Nummer Sicher zu wissen.«
In aller Ruhe nahm er eine Luger aus der Rocktasche. Ida sah die Mündung nicht. Ich sah nur Dantos Gesicht. In meinem Gehirn hörte ich ein Rädchen nach dem anderen einrasten.
»Wie bist du aus dem Gefängnis gekommen, Danto?« fragte ich. Die Frau, die vor mir auf einem Stuhl saß, war schneeweiß geworden. Sie brachte keinen Ton über ihre Lippen.
»Ich war nie im Gefängnis.«
Ich sah ihn ungläubig an.
»Tolle Sache, was? Kann mir vorstellen, daß das einem G-man weh tut, wenn er so etwas hören muß. Mein Bruder ist wirklich krank, Cotton. Er hat auch Krebs. Er wird in ein paar Stunden sterben, wenn er nicht schon tot ist. Nicht durch die Gase, sondern durch das Karzinom. Vor einem halben Jahr passierte die Geschichte, und kurz vorher hatte mein Bruder von mindestens fünf Ärzten einstimmig, gehört, daß er nur noch kurze Zeit zu leben hätte.«
»Und Ihr Bruder ist für Sie in die Todeszelle gegangen?«
»Ja«, sagte Danto, und er schien stolz auf seinen Bruder zu sein. »Hätten Sie nicht für möglich gehalten, eh, Cotton? Können Sie sich an den Ortstermin hier in New York erinnern? Während der Gerichtsverhandlung war mir die Idee gekommen, nachdem ich schon in der Untersuchungshaft von der schweren Krankheit von Manfredo gehört hatte. Deshalb bestand ich auf dem Ortstermin in New York, und Andersen, mein Verteidiger, hatte Erfolg beim Gericht. Der Ortstermin kam zustande. Das andere war eine Kleinigkeit. Ich bat um einen letzten Besuch bei meinem Bruder. Zwei Cops und ein Gerichtsdiener wurden mir mitgegeben. Die beiden Cops blieben draußen. Der Gerichtsdiener bekam 10 000 Bucks. Viel Geld, Cotton, für einen armen Schlucker. Mein Bruder war sofort einverstanden. Er hatte einen abgrundtiefen Haß gegen alles, was amerikanische Behörden betraf. Seine Mission ist nur ein Deckmantel, Cotton. Raffinierte Tarnung, nicht wahr? In Wirklichkeit verteilte Manfredo Rauschgift. Er war der Syndikatsvertreter in New York. Clever, he?«
Ich mußte ein paarmal schlucken. »Aber es muß doch aufgefallen sein. Brüder sehen sich doch nicht so ähnlich…« wandte ich ein.
Danto lächelte schwach. Sein Lächeln wirkte überheblich. »Ich habe vergessen, Cotton, daß Manfredo mein Zwillingsbruder ist. Er gleicht mir mehr als das bekannte Ei dem anderen. Heute wohl nicht mehr. Er ist ja krank.«
»Der Gerichtsdiener«, sagte ich, »was ist…«
»Vergessen Sie es, Cotton. Ich habe mir die 10 000 Bucks längst wiedergeholt. Der Mann ist einen Tag nach der Verhandlung gegen mich verstorben. Auf die Idee, daß er vergiftet wurde, ist bis heute noch niemand gekommen.« Mir liefen abwechselnd heiße und kalte Schauer über den Rücken. Hier hörte ich das Geständnis des wohl raffiniertesten Mörders, der mir je begegnet war, einer Bestie in Menschengestalt.
»Warum mußte Andersen sterben?« fragte ich. Meine Stimme war belegt, ich kannte
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