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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Maria öffnete die Tür und wurde von Abraham Lincoln begrüßt.
    Das Poster war bereits vergilbt, an den Rändern zerfleddert und hing über einem schmalen Doppelbett ohne Kopfteil. Die Wände waren mit Postkarten von Lincoln übersät, und er starrte von allen Richtungen in den Raum hinein. Als einzige Lichtquelle diente eine Stehlampe, deren Lampenschirm mit verblassten Zeitungsartikeln über – Überraschung! – Lincoln vollgekleistert war.
    Also deswegen hat die verrückte alte Besitzerin es das Lincoln-Schlafzimmer genannt.
    Maria schleppte ihren Koffer ins Zimmer, legte den Schlüssel auf eine verschrammte alte Kommode und schob den Riegel vor die Tür. Diese war genau wie das Schloss schwer und machte einen soliden Eindruck. Obwohl das eigentlich beruhigend auf Maria hätte wirken sollen, bekam sie in dem Zimmer eine Gänsehaut. Nicht nur das Zimmer, die ganze Pension ließ sie erschauern – angefangen mit der abgelegenen Lage über die heruntergekommene Fassade und die exzentrische Ausstattung bis hin zu der Ansammlung merkwürdiger Gerüche. Aber Maria hatte keine Wahl. Das Hotel in Monk Creek war ausgebucht gewesen, und dies schien das letzte freie Zimmer in ganz West Virginia zu sein.
    Der Ironwoman - Wettbewerb war mit weltweiter Berichterstattung zu einem richtigen Event geworden, und man hatte ihre Zimmerreservierung an irgendeinen Reporter vergeben. Schon ironisch, dachte Maria, da sie eine angemeldete Teilnehmerin war und ohne Teilnehmerinnen schließlich sämtliche Reporter zu Hause bleiben könnten. An ihrer Stelle hätte eigentlich dieser Journalist im Lincoln-Schlafzimmer mit seiner bizarren Ausstattung und dem komischen Geruch nach Sandelholz und saurer Milch übernachten sollen.
    Maria seufzte. Wie auch immer. Sie hatte nur noch eines im Sinn: nach einer mehr als zwölfstündigen Reise eine ruhige Nacht verbringen. Weil die Pension keinen Fitnessraum besaß, würde sie auf ihr nächtliches Workout verzichten müssen und stattdessen morgen früh acht Kilometer laufen. Dann konnte sie zum Event-Hotel zurückfahren. Sie hatten ihr dort nämlich versprochen, gleich in der Frühe ein Zimmer für sie herzurichten.
    Genau genommen wird das Zimmer schon heute fertig sein.
    Ein Blick auf die Lincoln-Uhr auf dem Nachttisch verriet ihr, dass es bereits nach zwei Uhr nachts war.
    Sie hatte versprochen, Felix anzurufen. Also holte sie ihr Handy aus der Tasche ihrer Jeans, und ihre Daumen wischten über die Tasten.
    F – schläfst wohl schon. Bin in unheimlicher pension, kein hotel. Lange geschichte, aber umsonst – mehr für unsere Hochzeitsreise :) HASE , ILD – M.
    Maria spazierte im Zimmer auf und ab, hielt das Handy über den Kopf und hoffte auf eine Verbindung. Die Dielen ächzten unter ihrem Gewicht. Als auf dem Display ein Balken aufleuchtete, schickte sie die SMS ab und ging dann zum Bett. Sie legte das Handy auf den Nachttisch, damit sie vor dem Schlafengehen nicht vergessen würde, es aufzuladen, wuchtete den Koffer auf die Matratze, suchte nach ihrer Kulturtasche und marschierte dann ins Bad. Dort schaltete sie das Licht an und wurde prompt von einem Bild Lincolns auf dem Toilettensitz begrüßt. Seufzend stellte sie die Tasche ab.
    » Ob ich eine Fünf-Dollar-Note je wieder unbedarft in die Hand nehmen werde?«, scherzte sie freudlos. Statt diese ganze Lincoln-Sache lustig zu finden, war sie ihr eher unheimlich.
    Maria zog die Tür hinter sich zu – mehr aus Gewohnheit als aus Scham –, klappte den Deckel hoch, knöpfte ihre Jeans auf und setzte sich. Der kalte Sitz verursachte eine Gänsehaut auf ihren gebräunten Schenkeln. Sie gähnte. Ein langes, ausführliches Gähnen. Der anstrengende Tag machte sich endgültig bemerkbar.
    Das Bad war wie das Zimmer winzig. Das Waschbecken war neben die Duschkabine gezwängt, und wenn Maria etwas größer gewesen wäre, hätten ihre Knie die gegenüberliegende Wand berührt, an der ein gerahmtes Bild von Lincoln hing. Ein Porträt aus seinen jüngeren Jahren, als er noch nicht den berühmten Bart trug. Die extrem lebensecht gemalten Augen schienen sie anzustarren.
    » Perversling«, flüsterte sie.
    Lincoln antwortete nicht.
    Durch die Wand waren Stimmen zu vernehmen. Es waren die zwei Männer, die sie beim Einchecken über Sport im Fernsehen hatte streiten hören. Sie wiederholten sich ständig. Maria horchte auf die knarzenden Dielen und hoffte, dass sie der Geräusche wegen nicht die ganze Nacht über wach bleiben würde. Kaum hatte sich der

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