0447 - Der Drachen-Meister
hatte auch ein Terminal mit Monitor an die große EDV-Anlage koppeln lassen, um die dort gespeicherten Daten abrufen zu können. Er wollte so schnell wie möglich so viel wie möglich lernen, wobei sein eidetisches Gedächtnis ihm half. Er konnte nichts vergessen. Zamorra fragte sich, wie der Junge diesen Ansturm von Informationen und Daten überhaupt verarbeiten konnte, zumal er auch noch Gelegenheit fand, auszuspannen oder sich spielerisch zu betätigen. Julian war ein Phänomen.
Er war von einer Menschenfrau geboren, aber er war kein Mensch. Er war mehr. Ein magisches Wesen, unbegreiflich für den menschlichen Verstand…
»Julian?« rief Zamorra. Er öffnete die Tür einen schmalen Spalt. Immer noch gab es keine Reaktion.
Zamorra trat ein.
Das Zimmer war leer. Auch in den angrenzenden Räumen war Julian nicht zu finden. Aber das Bett war benutzt.
Der Computermonitor zeigte eine Grafik. Eine Art Höhle mit einem saurierartigen Untier darin. Die Grafik ruhte. Zamorra überlegte; er wollte das Gerät schon abschalten, da ja ohnehin niemand sich dafür interessierte, aber dann ließ er es. Er trat wieder auf den Gang hinaus.
Raffael schritt vorbei. Er nickte Zamorra zu. Der zeigte sich überrascht. Gut, der alte Diener war immer überall, wo er gerade gebraucht wurde, und das erstaunlicherweise zu jeder Tages- und Nachtzeit, als brauchte er niemals Schlaf und könne hellsichtig erkennen, was gerade von ihm gewünscht wurde. Aber daß er ausgerechnet jetzt hier an den Gästezimmern vorbei schritt, war doch erstaunlich, und Zamorra sprach Raffael darauf an.
Der alte Mann lächelte vage.
»Nun haben Sie mich ertappt, Professor«, sagte er. »Ich muß doch erreichbar sein, wenn meine Dienste von Herrn Julian gebraucht werden sollten.«
»Er ist doch gar nicht hier«, wunderte Zamorra sich.
Raffael hob die Brauen. »Bitte, Professor? Was meinen Sie damit?«
»Die Zimmer sind leer«, sagte Zamorra.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Raffael. »Ich wüßte es, wenn Herr Julian wieder gegangen wäre. Ich sprach mit ihm. Er wollte ruhen. Und ich habe auch nicht gesehen, daß er zwischendurch wieder gegangen wäre.«
»Nun, Sie werden kaum die Zimmertüren die ganze Zeit über unter Beobachung gehalten haben;«
»Sicher nicht, Professor; auch ich bin nicht perfekt. Dennoch ist es für mich nur schwer vorstellbar, daß Herr Julian gegangen sein sollte, ohne daß ich es erfuhr, wenn Sie mir diese Feststellung erlauben.«
»Er ist nicht das erste Mal, daß er einfach verschwindet«, sagte Rob Tendyke wenig später, als Zamorra ihn darauf ansprach. »Das hat es auch schon ein paar Male in der jüngeren Vergangenheit gegeben, als wir noch in der Blockhütte wohnten. Er war dann einfach fort, aus dem Zimmer verschwunden, ohne daß wir ihn gehen und zurückkommen sahen. Ich weiß nicht einmal, wo er sich dann aufgehalten hat, weil er nie darüber sprach.«
Zamorra hob überrascht die Brauen. »Wäre ich sein Vater, würde ich es aber wissen wollen.«
»Ich würde es auch gern wissen. Aber ich kann ihn nicht zwingen, darüber zu reden, und, ehrlich gesagt, ich will es auch nicht.«
»Und die Zwillinge? Konnten sie es nicht aus seinen Gedanken lesen?«
Der Abenteurer seufzte. »Es ist unter uns nicht üblich, uns gegenseitig telepathisch auszuforschen«, sagte er. »Es ist für die beiden schon schlimm genug, daß sie diese Gabe besitzen und sich manchmal sogar gezielt gegen allzu aufdringliche Gedanken abschirmen müssen. Da sind sie herzlich uninteressiert daran, ihre eigenen Verwandten zu bespitzeln.«
Zamorra nickte. »Schön. Und was passiert nun?«
»Nichts. Er wird wieder auftauchen«, sagte Tendyke. »Wie sieht es nun mit der Freudenfeier aus? Habt ihr euch für die endgültige Gästeliste entschieden?«
Zamorra nickte.
»Der Rahmen wird kleiner als anfangs geplant«, sagte er. »Es wird dich wohl nicht besonders ärgern.«
Tendyke nickte düster. »Ich habe nachgedacht«, sagte er. »Ihr habt recht. Laßt uns das Fest im Schutz der Abschirmung feiern. Es wird für uns alle Zeit, mal wieder unter Menschen zu kommen. Nur lade um Himmels willen nicht Sid Amos mit ein.«
»Jetzt geht das schon wieder los«, ächzte Zamorra und enteilte in Richtung Arbeitszimmer.
***
Ailita hob den Kopf und lauschte. Von irgendwoher kamen kratzende Geräusche. Etwas Großes, Massiges bewegte sich durch die Felsengänge.
Der Drache kam.
Sie wußte es. Es war so weit. Der Augenblick des Todes rückte heran. Sie war fast
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